Unter normalen Umständen hätte die Slowakei am Jahreswechsel von 2022 auf 2023 allen Grund zum Feiern gehabt. Der junge demokratische Staat feiert sein 30. Gründungsjubiläum. Die Medien hatten schon Sonderseiten und -sendungen zum Jubiläum vorbereitet. Doch nach politischen Feierlichkeiten steht in der Slowakei derzeit niemandem der Sinn.
Slowakei: Öffentlich-Rechtliche unter neuem Druck
Dieser in der Slowakei nie dagewesene Mordanschlag, ein direkter Angriff auf Demokratie und Pressefreiheit, war Ausgangspunkt von Massenprotesten und einer politischen Wende um 180 Grad. Die frühere Anwältin und politische Quereinsteigerin Zuzana Čaputová - bis heute sehr beliebt - wurde zur Staatspräsidentin gewählt und die Bürgerlichen feierten den erwähnten Wahlsieg der Regierung Matovič. Doch die Regierung zerlegte sich schon bald selbst, scheiterte nicht an Sachfragen, sondern ausnahmslos an persönlichen Animositäten.
Medien müssen womöglich wieder die Rolle der politischen Opposition übernehmen
Nun könnten wichtige Zeitungen wie Sme und Pravda sowie das herausragende Online-Portal Aktuality.sk wieder in die Rolle der politischen Opposition gedrängt werden, die sie schon in der Fico-Ära übernommen hatten. Dennoch scheint selbst die Aussicht auf ein mögliches Comeback für Fico die Redaktionen weniger zu schocken als die bisherigen Zustände.
Fico verbirgt nicht, dass er mittlerweile Viktor Orbán als Vorbild betrachtet. Er dürfte nichts unternehmen, damit der noch immer nicht verurteilte Drahtzieher des Journalistenmordes hinter Gitter kommt. Fico steht im Krieg gegen die Ukraine an der Seite Putins. Die bisherige Regierung hatte sich - bei allen Streitigkeiten - klar zum Kurs der EU bekannt und zur Hilfe für Hunderttausende Kriegsflüchtlinge. Dies alles könnte unter einer neuerlichen Regierung Fico kippen. Die Medien würden vor völlig neue Herausforderungen gestellt, falls es tatsächlich zu einer solchen Entwicklung käme.
Das bislang öffentlich-rechtliche Fernsehen und der Rundfunk - beide firmieren gemeinsam unter dem Kürzel RTVS - dürften in dieser politischen Auseinandersetzung noch mehr an Bedeutung verlieren, als sie bislang hatten. Die abgewählte Regierung kündigte im Rahmen von Verhandlungen zum Haushalt 2023 völlig überraschend an, die Finanzierung von RTVS zu "revolutionieren".
Danach sollen die Öffentlich-Rechtlichen nicht mehr über Gebührenzahlungen der Nutzer (und Werbung) finanziert werden, sondern vom Staat. Über die Höhe der Gelder solle künftig das Parlament befinden. Damit geriete RTVS in eine nie dagewesene Abhängigkeit von der Politik. Der Vorsitzende des Rundfunkrates, Igor Gallo, nannte die diskussionslose Streichung der Gebührenzahlung ein “politisches Abenteuer”, das nach dem Vorbild Ungarns auf den Weg zum politisch beherrschten Staatsfunk führen könnte.
Reporter ohne Grenzen forderte in einer ersten Reaktion die Regierung auf, “eine langfristige Finanzierungslösung frei von politischem Druck” zu finden. “Die Slowakei als ein Land, das ein Paradies für Fehlinformationen ist und in dem einige Medien von Oligarchen beeinflusst werden, braucht starke und unabhängige öffentliche Medien. RTVS darf nicht Opfer politischer Deals werden.” Nicht nur die Politik, sondern auch die Medien in der Slowakei gehen ungewissen Zeiten entgegen.
Rangliste der Pressefreiheit (Reporter ohne Grenzen): Platz 17 (2023)
Stand: Dezember 2022