Politische Mitte ringt mit Le Pen
Frankreichs Sozialisten wollen in der zweiten Runde der Regionalwahlen am Sonntag in drei Regionen zugunsten der Konservativen auf eigene Kandidaten verzichten. Damit soll ein erneuter Wahlsieg des Front National verhindert werden. Ein Bündnis zwischen Konservativen und Sozialisten wäre das falsche Signal an die Wähler, kritisieren einige Kommentatoren. Andere glauben, dass nur dadurch der Aufstieg der radikalen Rechten gestoppt werden kann.
Bündnis gegen Front National ist Fehler
Es ist falsch von den Sozialisten, in drei Regionen auf eigene Kandidaten zu verzichten, meint die konservative Tageszeitung Financial Times mit Blick auf die zweite Runde der Regionalwahlen in Frankreich: "Eine Mobilisierung der 'republikanischen' Front auf diese Weise wäre ein Fehler. Im Vorfeld der Präsidentenwahl 2017 mag eine vereinigte republikanische Position gerechtfertigt sein, falls Marine Le Pen die Stichwahl erreichen sollte. Doch Politiker müssen sich davor hüten, dem Bild zu entsprechen, das Le Pen schon seit geraumer Zeit zeichnet. Dieses zeigt die beiden französischen Großparteien in einem verrotteten Zustand, einzig vom Interesse geleitet, das etablierte System im Griff zu behalten. Die beiden Großparteien sollten sich ebenso davor hüten, den Front National aufhalten zu wollen, indem sie dessen ausländerfeindlichen Ton imitieren."
Republikanische Front muss Le Pen stoppen
Nur eine gemeinsame Strategie der Mitte-Parteien kann den Front National davon abhalten, 2017 die Präsidentschaftswahl zu gewinnen, warnt die linksliberale Tageszeitung El País: "Der Erfolg des Front National lässt Zeiten des Autoritarismus, Souveränismus und der Europa- und Fremdenfeindlichkeit mitten im Herzen Europas befürchten. Nicht unbedingt wegen der Regionen, die in Frankreich viel weniger Bedeutung haben als etwa in Spanien, sondern weil sich die anderen Parteien Schritt für Schritt den Positionen der Ultrarechten annähern könnten, sei es auf dem Gebiet der Sicherheit, der Einwanderung oder gegenüber der Angst vor Globalisierung. ... Sarkozy und Hollande stehen heute vor einer großen Herausforderung, wollen sie 2017 erneut die Präsidentschaft erlangen. Le Pen steht kurz davor, das Amt des Staatschefs zu erobern. Es sei denn, es bildet sich eine republikanische Front, die sie auf ihrem Weg aufhalten kann."
Nichtwähler wieder ins Boot holen
Einen Sieg des Front National in der zweiten Runde der Regionalwahlen können jetzt nur noch die Wähler verhindern, die am Sonntag nicht zur Wahl gingen, meint die linksliberale Berliner Zeitung: "So mancher sieht in der Stärkung des Front National ein Experiment, das sehr wohl schiefgehen kann. Wenn er sich darauf einlässt, dann deshalb, weil in seinen Augen alles andere bereits schiefgegangen ist. ... Wer den Glauben an Hollande und Sarkozy verloren hat, aber auch den Schalmeienklängen Marine Le Pens nicht erlegen ist, hat allen drei den Rücken gekehrt. Anders gesagt: 20 Millionen Franzosen haben am Sonntag keine Partei gefunden, für die es sich lohnte, ins Wahllokal zu gehen. So deprimierend dies klingt, es lässt auch hoffen. Wenn es gelingt, die am Wahltag schweigenden Millionen für ein zwar langwieriges, aber realistisches Krisenmanagement zu gewinnen, wäre der Front National im Nu wieder da, wo er hingehört: am politischen Rand."
Wahlsieg hat Folgen für ganz Europa
Der Wahlsieg des Front National wird Folgen für ganz Europa haben, prognostiziert die liberale Tageszeitung De Standaard: "In Frankreich geht eine Ära zu Ende, bei der Links und Rechts sich gegenseitig in ihrem Ringen um Macht im Gleichgewicht hielten. ... Die Folgen sind weit über die Grenzen hinaus spürbar. Europa selbst steht am Wendepunkt. Weitere Integration oder ein Auseinanderbrechen: Zwischen diesen beiden Optionen driftet die Union immer weiter zur letzteren. ... In ihrem Eifer, ihre eigene Haut zu retten, drohen die Führer der bedrohten Machtparteien, sich wieder hinter dem breiten Rücken Europas zu verschanzen. Sie stellen das Scheitern der EU als etwas dar, wofür sie selbst keine Verantwortung tragen, und legitimieren damit wiederum die These ihres Erzfeinds. Damit spielen sie der Illusion in die Hände, dass der Rückzug in das eigene Schneckenhaus eine gute Antwort ist auf die Angst und Wut der verlorenen Wähler."