Cumhuriyet-Journalisten vor Gericht
Am Freitag wird der Prozess gegen die zwei türkischen Journalisten Can Dündar und Erdem Gül von Cumhuriyet eröffnet. Sie sind angeklagt, weil sie Berichte über angebliche Waffenlieferungen des Geheimdienstes nach Syrien veröffentlichten. Die türkische Presse stellt sich überwiegend hinter die Journalisten.
Prozess entscheidet über Zukunft der Türkei
Im Prozess gegen Can Dündar und Erdem Gül geht es um mehr als um die beiden Journalisten, erklärt der Kolumnist Güray Öz in der regierungskritischen Tageszeitung Cumhuriyet:
„[Die Regierung] versucht nun, mit Befehlen, Auftragskillern, Druck und Brutalität eine neue Verhaftung der beiden Journalisten zu erreichen. … Am Freitag, dem Tag der Gerichtsverhandlung, werden die Menschen nicht nur für die Freiheit von Can und Erdem, sondern auch für ihre eigenen Rechte und eine funktionierende Justiz zum Istanbuler Justizpalast kommen und diese wichtige Verhandlung wird im In- wie Ausland verfolgt werden. In Wirklichkeit wird dieser Prozess für die Beobachter nicht der Can-Erdem-Prozess, sondern der Prozess über die Zukunft der Türkei sein.“
Freiheit für Dündar ein Skandal
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat am Sonntag erklärt, er werde die Entscheidung des Verfassungsgerichts, die zur Freilassung der Journalisten Can Dündar und Erdem Gül geführt hat, weder respektieren noch befolgen. Dafür hat er gute Gründe, findet die regierungstreue Tageszeitung Star:
„Can Dündars aufgewärmter Bericht über die Lastwagen des Geheimdienstes und seine anschließende Haltung sind ein wichtiges Beispiel für den als Nebenweg des Journalismus bezeichneten Aktivisten-Journalismus. Der Aktivisten-Journalismus ist ein besonderer Charakter, der eine eigene, heimliche Agenda besitzt und diese Agenda in der Öffentlichkeit zu verbreiten versucht, indem er nicht vertrauenswürdige Quellen oder mit Lügen angefüllte Auskünfte nutzt. ... Seit Gezi erleben wir einen gefährlichen Prozess, in dem der Aktivisten-Journalismus aus den Nebenstraßen in den Mittelpunkt rückt.“
Es gibt doch noch freie Justiz in der Türkei
Erleichtert, dass das Verfassungsgericht standhaft bleibt, zeigt sich Ertuğrul Özkök, Kolumnist der konservativen Tageszeitung Hürriyet:
„Ich bin überzeugt, dass die ganze AKP sich mindestens so sehr über das Urteil freut, wie ich. Denn ich bin mir sicher: Auch sie erinnern sich. Eben dieses Gericht entschied einst, das Verfahren gegen die AKP [2008, über ein Verbot der Partei] einzustellen. Dass der Präsident und Premier dieses Landes heute auf ihren Posten sitzen, haben sie der Entscheidung der Richter dieses Gerichts zu verdanken, die noch vor ihrer Zeit gewählt wurden. Wir sollten uns alle freuen. Es bedeutet, dass es in diesem Land noch immer Richter gibt, die nach den Prinzipien Recht und Gerechtigkeit handeln. Das Verfassungsgericht hat mit dieser Entscheidung den Ruf unseres Landes gerettet.“
Verfahren gegen Journalisten komplett einstellen
Nach diesem Urteil ist die gesamte Anklage gegen die beiden Journalisten nicht mehr zu halten, analysiert die konservative Tageszeitung Milliyet und sieht das Gericht als letzte Hüterin der Freiheiten in der Türkei:
„Dem Verfassungsgericht zufolge verletzt die Verhaftung Can Dündars und Erdem Güls deren persönlichen Rechte und Freiheiten sowie die Meinungs- und Pressefreiheit. ... Denn das, was die Angeklagten getan haben, war keine terroristische Straftat, sondern journalistische Aktivität. Demnach gibt es kein Verbrechen. Lassen Sie die sofortige Freilassung beiseite, das Verfahren an sich muss eingestellt werden. Denn laut Verfassungsgericht ist der Kern des Verfahrens falsch, die Anklage inkorrekt. In der letzten Zeit hat das Verfassungsgericht die Justiz gerettet. Es ist zum Zufluchtsort im Namen des Gesetzes geworden, zum Garanten persönlicher Rechte und Freiheiten. Das Verfassungsgericht hat der Presse ihre Freiheit zurückgegeben.“
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