Burkini-Verbot in Frankreich gekippt
Frankreichs Oberstes Verwaltungsgericht hat das Burkini-Verbot in einem Grundsatzurteil für unrechtmäßig erklärt. Rund 30 Gemeinden hatten den Ganzkörperbadeanzug von ihren Stränden verbannt. Kommentatoren loben die Gerichtsentscheidung.
Verbot und Ablehnung sind zweierlei Dinge
Warum ein Burkini-Verbot kontraproduktiv wäre, erläutert der Politikwissenschaftler Angelo Panebianco im Corriere della Sera:
„Es gibt Bräuche, die schlichtweg verboten gehören. Dann gibt es solche, die erlaubt und auch respektiert gehören. Und schließlich gibt es Bräuche, die gestattet, doch öffentlich zensiert werden sollten. Mir scheint dies beim Burkini der Fall zu sein. Ihn zu verbieten, macht in Gesellschaften, die sich für liberal erklären, keinen Sinn. Er darf also nicht verboten werden. Aber das bedeutet nicht, ihn gutzuheißen. Die öffentliche Missbilligung wäre kein Selbstzweck. Sie würde dazu dienen, die Emanzipation des Individuums zu ermutigen und die Lockerung des gesellschaftlichen Zwangs, der auf dem Individuum lastet, zu fördern. ... Wenn die Europäer vermeiden wollen, dass es früher oder später in Europa zu aus dem Ruder laufenden Konflikten kommt, sollten sie sich sputen, die Kunst der Unterscheidung zu erlernen.“
Was heute der Burkini ist, war damals der Bikini
Der Burkini ist ein Zeichen des Protests, erläutert der Schriftsteller Miljenko Jergović in der Jutarnji list:
„Die Damen an der Côte d'Azur hat niemand gezwungen, sich in ihre Badeanzüge einzuwickeln und gerade an den meistbesuchten Stränden aufzutauchen, mitten unter ihren politischen und weltanschaulichen Gegnerinnen im Bikini. ... Sie sind ganz bewusst gekommen, um öffentlichen Ärger und Hohn zu erregen. ... Der Burkini ist eine Frage der Mode, wenn auch mit beträchtlichem politischem Zusatz. Aber war das nicht von den 1950er bis in die 1970er Jahre hinein der Bikini auch? Der politische Inhalt hat etwas Triviales, dem neuesten Modell eines Badeanzugs wird eine Ernsthaftigkeit gegeben. So haben [damals] den Bikini aus Gründen des Protests auch Damen angezogen, die es sonst nicht getan hätten, schlichtweg weil er ihnen nicht gefällt. Aber ihnen gefiel die Subversivität des Bikinis. Haargenau das Gleiche geschieht nun mit den Burkinis.“
Franzosen wollen Muslime unsichtbar machen
Der Zwang zur Säkularisierung in Frankreich geht zu weit, klagt die Irish Times:
„Wer Frauen, die kurze Röcke tragen, unterstellt, dass sie vergewaltigt werden wollen, macht sich einer völlig verkehrten Stereotypisierung schuldig. Den gleichen Fehler macht, wer den Wunsch, sich am Strand nach eigenen Vorstellungen sittsam zu kleiden, als eine provozierende Sympathiebekundung für den Extremismus interpretiert oder eine solche Person gar als Mitglied einer Terrorbewegung einstuft. Die Botschaft, die mit derartigen Verboten an junge Muslime in den heruntergekommenen, hoffnungslosen Banlieues gesandt wird, ist nicht, dass sie von der französischen Kultur und Gesellschaft akzeptiert werden. Nein, ihnen wird vermittelt, dass es Frankreich lieber wäre, dass sie nicht existierten, dass sie unsichtbar sind, dass sie 'nach Hause' gehen sollen. Das übereifrige Ausspielen der Laizismus-Karte signalisiert ihnen, dass Sozialisten und Front National bei diesem Thema einig sind.“
Sieg der Vernunft und des Rechtsstaats
Für gut und richtig befindet The Guardian das Urteil:
„Das Höchstgericht hat klar entschieden, dass weder die 'öffentliche Ordnung' noch 'Emotionen, die aus den Terroranschlägen resultieren', eine Rechtfertigung für das Burkini-Verbot darstellen können. ... Das wird hoffentlich Anstand sowie Rechtsstaatlichkeit wiederherstellen und unterstreichen, dass der Burkini selbst die öffentliche Ordnung nicht gefährdet. Wenn das der Fall gewesen wäre, dann hätte Frankreichs Ausnahmezustand bedeutet, dass Bürger unterschiedlichen, auch religiösen Hintergrunds offiziell nicht länger sicher am Strand nebeneinander sitzen können. Das Urteil löst nicht alle Probleme, die in diesem Zusammenhang bestehen. Das wird noch lange dauern. Doch hoffentlich wird es einer aufgewühlten Gesellschaft eine Atempause verschaffen.“
Absurde Debatte zeigt Frankreichs wahre Probleme
Das Gericht hat ein überfälliges Machtwort gesprochen, freut sich die Berliner Zeitung, sieht jedoch in der Diskussion um den Burkini ein tiefer liegendes Problem der französischen Gesellschaft:
„[Die Richter] haben daran erinnert, dass Frankreichs strikt weltlich ausgerichtete Staatsordnung besagten Staat zu religiöser Neutralität verpflichtet, nicht aber den Bürger, der ja gerade unbehelligt vom Staat sein Leben im Einklang mit seinem Glauben gestalten dürfen soll. Ein Funken Vernunft war das in erschreckendem emotionalem Dunkel. Mehr freilich auch nicht. ... Es ging und geht in der Auseinandersetzung um die Duldung des Burkinis ja auch nicht wirklich um diesen im Rest der Welt mit Gleichmut hingenommenen Badeanzug. Wenn die Debatte zuletzt immer aberwitzigere Züge angenommen hat, dann deshalb, weil das Kleidungsstück daran erinnert, was in dem Europas größte islamische Gemeinde beherbergenden Land gesellschaftlich aus den Fugen geraten ist. Und das ist eine ganze Menge.“
Unter dem Schleier verbirgt sich der Hass
Warum Frankreich sehr wohl neue Gesetze gegen die Verschleierung braucht, erklärt die konservative Tageszeitung Le Figaro:
„Unter dem Schleier verbirgt sich der Hass auf das, was wir in ihren Augen sind und darstellen. Der Burkini, der bis vor Kurzem noch gar nicht existierte, ist kein schamhaftes oder unbedeutendes Stück Stoff, sondern eine symbolische Kampfbekleidung, der Frauen zu seinen ersten Geiseln macht. Wann schauen wir der Realität endlich ins Auge? Es ist nicht die Aufgabe der Bürgermeister, angemessene Antworten auf die Herausforderung zu finden, die sich uns stellt. Es ist die Aufgabe des Gesetzgebers, die Soldaten dieser aufrührerischen Offensive zu entwaffnen. Da die aktuelle Gesetzeslage dies nicht ermöglicht, müssen neue Waffen verabschiedet werden. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, Frankreich [bei der Parlamentswahl] 2017 mit einer neuen Mehrheit auszustatten.“
Frankreichs Politiker nicht besser als Taliban
Mit dem Burkini-Verbot rauben Frankreichs Politiker nicht nur muslimischen Frauen ihre Freiheit, klagt die australische Erfinderin des Kleidungsstückes, Aheda Zanetti, im Guardian:
„Ich wollte etwas Gutes tun. Jeder kann einen Burkini tragen: Christen, Juden, Hindus. Er ist einfach ein Kleidungsstück für sittsame Personen oder Menschen, die Hautkrebs haben, oder junge Mütter, die keinen Bikini tragen wollen. Er symbolisiert nicht den Islam. ... Ich glaube, sie [Frankreichs Politiker] haben dieses Kleidungsstück, das für so viel Positives steht, nicht verstanden. Es symbolisiert Freizeit, Fröhlichkeit, Spaß und Gesundheit. Und jetzt fordern sie, dass Frauen den Strand verlassen und in ihre Küchen zurückgehen? Der Burkini hat Frauen Freiheit geschenkt, und die wollen sie ihnen wieder wegnehmen? Wer ist nun besser, die Taliban oder Frankreichs Politiker? Sie sind beide gleich schlimm.“
Erst durch Verbot wird Burkini überhöht
Die Debatte über Burkas und Burkinis in Frankreich läuft in die komplett falsche Richtung, kritisiert die Historikerin und Grünen-Politikerin Esther Benbessa in Libération:
„Je mehr solche Kleidungsstücke verboten und/oder stigmatisiert werden, desto mehr trägt man dazu bei, dass sie überhöht und zu einem Symbol werden. In diesem Zusammenhang verwundert es nicht, dass Frankreich zum Gespött der ausländischen Presse geworden ist. So lächerlich der in der Debatte zu Tage gelegte Eifer auch sein mag, er gibt einem dennoch zu denken. Denn für viele Politiker jedweder Couleur ist die Verlockung allzu groß, die Wut einiger und die Ängste möglichst vieler zu instrumentalisieren - und das zu dem rein taktischen Zweck, dem Front National bei den nächsten Wahlen ein paar Stimmen abzuluchsen, indem man ihm das Vorrecht auf das Thema 'laïcité identitaire' streitig macht.“
Frankreich setzt die falschen Prioritäten
Das Burkini-Verbot an französischen Stränden ist scheinheilig, so lange Paris den konservativen Islam in Saudi-Arabien unterstützt, meint die Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore:
„Dem [saudischen] Prinzen wurde [von Hollande] der höchste Titel der Ehrenlegion verliehen - für das herausragende Verdienst, Areva gerettet zu haben, den vor der Pleite stehenden französischen Atomenergiekonzern. Auf der einen Seite verbietet Frankreich den Burkini, auf der anderen unterstützt es ein absolutistisches Reich mit einem blutigen Königshaus, das massiv auf die Todesstrafe zurückgreift, um seine Gegner aus dem Weg zu räumen und der größte Finanzier des Islam in seiner konservativsten und rückständigsten Form ist.“
Eingriff in die Religionsfreiheit
Das Verbot von Burkinis ist skandalös, findet Dominik Zdort in der konservativen Rzeczpospolita:
„Meiner Meinung nach ist dies ein weiterer Schritt, um die Religionsfreiheit einzuschränken. Wenn Musliminnen finden, dass sie aus religiösen Gründen ihre Körper nicht fremden Männern zeigen sollten, dann sollte man dies respektieren. Genauso verbietet man ja auch nicht den Juden ihre Kippa oder den katholischen Geistlichen ihre Sutane oder ihre Kutte zu tragen. ... Doch es gibt noch ein wichtigeres Argument, das für den muslimischen Badeanzug spricht: Der Burkini stammt nämlich nicht aus Saudi-Arabien und wurde keinesfalls etwa vom IS vorgeschrieben, wie Kritiker glauben. Man hat ihn in Australien erfunden und ihn auf die Bedürfnisse der dort lebenden muslimischen Frauen zurechtgeschnitten. Er ist ein Kompromiss, der es ihnen ermöglicht, mit den Andersgläubigen gemeinsam das Badevergnügen zu genießen. Damit bietet er die Möglichkeit, Muslimen die westliche Lebensweise näherzubringen.“
Frankreichs Diskussionskultur ist ein Lichtblick
Von vielen Franzosen ist die Burkini-Debatte im Netz sehr geistreich geführt worden, lobt Journalistin Cristina Hermeziu in Adevărul:
„In der polemischen Diskussion um ein Burkini-Verbot (die Frankreich viel Spott und Kritik in der internationalen Presse beschert hat) ist auch Haltung, Anstand und politische Reife zu finden. … Hut ab vor dem Reflex vieler Kommentatoren, zu differenzieren und sich nicht instrumentalisieren zu lassen. Einer fragte: 'Wollen die Bürgermeister von Frankreich, dass die Burkinis verschwinden oder die Muslime?' … Wir müssen uns fragen, welches Ziel wir mit diesen öffentlichen Diskussionen verfolgen. Wo führt es uns hin, wenn wir Sachverhalte so stark vereinfachen, dass zur Schau getragene muslimische Identität sofort Anspannung hervorruft? … Ich glaube, die Lösungen werden durch die (so französische) Debattenkultur kommen und nicht, indem man mit dem Finger auf den Feind zeigt. Die Demokratie der Diskussion, mit all ihren Fehlern und Schwächen, ist den Hassreden und dem Bürgerkrieg vorzuziehen.“
Nicht von unwichtigen Debatten lähmen lassen
Der derzeitige Streit über das Burkini-Verbot an Frankreichs Stränden erinnert Le Point an die Situation Ende des 19. Jahrhunderts, als sich das notleidende Land vom Skandal um den zu Unrecht beschuldigten jüdischen Hauptmann Alfred Dreyfus hat einnehmen lassen:
„Zu Tage treten gerade unsere Zukunftssorgen und unsere Unfähigkeit, nach vorn zu schauen, um das Frankreich des 21. Jahrhunderts aufzubauen. Wir sollten uns nicht über aktuelle Streitigkeiten aufregen. Denn dadurch laufen wir Gefahr, die Diskussion darüber zu vernachlässigen, wie wir wieder ein großes Land werden können. ... Die Dreyfus-Affäre ist übrigens in einer ähnlichen Situation aufgekommen, denn Frankreich hatte während des gesamten 19. Jahrhunderts einen brutalen Niedergang erlebt. … Diese Krisen zeugen ganz augenscheinlich von unseren Missständen. Zu Recht dürfen wir erwarten, dass die Staatsmänner uns eine Zukunft anbieten, anstatt mit Presseerklärungen Ping-Pong zu spielen.“
Teil einer stillen Revolution
Wer Burkinis verbietet, stellt sich der Avantgarde der muslimischen Frauen in den Weg, erklärt Soziologe Renzo Guolo in La Repubblica:
„Jeder, der die islamische Kultur kennt, weiß, dass die Frauen seit geraumer Zeit bemüht sind, Verbote und andere Formen der männlichen Kontrolle der Gesellschaft aufzuweichen. Auch die Verbreitung des Burkini gehört zu diesem komplizierten und langen Prozess, der post-ideologischer ist als gemeinhin angenommen. … Diese wünschenswerte Verwandlung der islamischen Kultur in Europa begünstigt man sicher nicht durch Einschränkungen, sondern mit Verhaltensweisen und Regeln, die das Individuum den klaustrophobischen gesellschaftlichen Zwängen entziehen. Die Zeichen dieses Wandels, der in der Praxis und durch den Widerstand der Frauen im täglichen Leben erreicht wird, sind bereits deutlich sichtbar – auch wenn sie für die öffentliche Meinung und die Medien, die sich auf Fragen der Sicherheit konzentrieren, unsichtbar bleiben. Eine stille Revolution, die mehr Zeichen setzt als jede politische Proklamation.“
Zum Schleier gezwungen, zur Nacktheit verdammt
In höchstem Maße frauenfeindlich ist das Burkini-Verbot nach Ansicht von NRC Handelsblad:
„Männer können in Cannes tragen, was sie wollen. Vom Tangaslip bis zum Kaftan ist alles erlaubt. Aber wenn eine Frau dort zum Strand will, dann ist sie seit Kurzem verpflichtet, ein bestimmtes Maß an Nacktheit zu zeigen, sonst verstößt sie gegen die guten Sitten. … Diese Maßnahme ist ein erbärmlicher Ausdruck der Härte nach Schock und Trauer. Und sie ist auch sexistisch. Sie betrifft ausschließlich Frauen und bestätigt auf perverse Weise die untertänige Stellung der Muslimas. Sie müssen sich bereits auf Befehl ihrer Glaubensbrüder bedecken. Und nun müssen sie sich auch noch auf Befehl der Bürgermeister entblößen. … Dieses Burkini-Verbot offenbart die stillschweigende Akzeptanz, dass jeder über das Äußere von Frauen bestimmt, nur nicht die betreffenden Frauen selbst. … Aber diese Frauen sind keine Kleinkinder. Sie bestimmen selbst, was sie anziehen.“
Genau so absurd wie ein Falafel-Verbot
Frankreich setzt nach den Terroranschlägen die falschen Prioritäten, kritisiert Kolumnistin Aleid Truijens in De Volkskrant:
„Wer das Verbot von Burkinis gutheißt, der missbraucht den Feminismus als Feigenblatt für Islamophobie. Frauenkleidung verbieten ist immer eine schlechte Idee. Beachvolleyball im Burkini in Rio: Verrückt, aber nicht gegen die Regeln. Und auch ich darf in langer Hose und im Pulli im Meer schwimmen. Ich verstehe die Übersensibilität der Franzosen nach den Anschlägen, aber es ist dumm und sinnlos, gegen ein Symbol vorzugehen. Wir sollten unsere Energie besser darauf verwenden, Männer zu bestrafen, die sonnende Frauen als 'Hure!' beschimpfen oder Schwule belästigen. So schützt man 'unsere' Werte. Wenn ein Burkini ein Zeichen ist von drohendem Terror, dann ist das ein Falafel-Sandwich auch.“
Dürfen Muslimas nun nicht mehr surfen?
Die flämisch-nationalistische Regierungspartei N-VA will ein Burkini-Verbot auch für Belgien. Mit solchen Forderungen wird das Zusammenleben in Europa weiter vergiftet, kritisiert De Standaard:
„Im Namen der Freiheit und unserer westlichen Werte diktieren wir den Menschen, was sie am Strand anzuziehen haben, setzen wir die Religionsfreiheit aus und verbannen wir gläubige Muslime vom Strand hinter den Deich. Und dann zucken wir mit den Schultern, wenn Muslime sagen, dass sie sich diskriminiert und ausgeschlossen fühlen. Ganz zu schweigen davon, dass Regeln, die niemand durchsetzen kann, unsinnig sind: Denn was ist ein zu sehr bedeckter Körper? Kann auch jeder Surfer im Neoprenanzug eine Buße bekommen? Oder wird es Muslimas nicht gestattet, zu surfen? ... Solch ein Verbot offenbart einen armseligen Mangel an Selbstvertrauen. Solche Politik verwandelt alles in eine Bedrohung.“
Mit dem Schleier wird die Frau unterdrückt
Das Burkini-Verbot hat nichts mit Islamfeindlichkeit zu tun, urteilt die Tageszeitung Corriere della Sera:
„Der Badeanzug hat direkt mit Integralismus, mit Fundamentalismus zu tun. Das ist der Unterschied zu anderen religiösen Symbolen von der Kippa bis zum Kreuz, die erlaubt sind. Zudem geht es um die Frage der Sicherheit: Eine Waffe ist leicht unter einem Burkini zu verstecken, eine Sonnenbrille genügt, um die Person unkenntlich zu machen. Da fällt es schwer, die Proteste von Organisationen wie der Französischen Liga für Menschenrechte oder dem Collectif contre l’islamophobie en France zu begreifen, die in dem Burkini-Verbot einen Fall von islamfeindlichem Rassismus sehen wollen. Verteidigen sie wirklich das Recht der Frauen oder nicht eher die Pflicht, die den Frauen von Männern auferlegt wird? Die Antwort erhalten wir aus Manbidsch, der soeben [von der IS-Herrschaft] befreiten Stadt in Syrien, wo die Frauen sich voller Freude die Vollverschleierung vom Leib reißen, darauf treten oder sie gar verbrennen.“
Der Burkini ist ein Bürgerrecht
Den Burkini zu verbieten, den ohnehin nur eine Minderheit der muslimischen Frauen trägt, widerspricht einem Grundprinzip der französischen Republik, argumentiert die katholische Zeitung La Croix:
„Der Burkini gesellt sich zu den Kleidungsstücken, die man wie eine militante Aussage vor sich herträgt, wie ein Zeichen des Protests oder eine Art Selbstbehauptung. … In Frankreich hat jede(r) die Freiheit, seine Kleidung frei zu wählen, solange er die Gesetze der öffentlichen Ordnung respektiert. Der Burkini ist also ein Bürgerrecht, auch wenn man nicht naiv sein darf: Die Frauen, die ihn tragen, haben oft radikale Ansichten, was das gesellschaftliche Leben betrifft und wissen, dass sie Druck auf ihr Umfeld ausüben. Sie handeln unter dem Einfluss einer bestimmten Vorstellung des Islam - die jedoch nur für eine Strömung innerhalb dieser Religion steht. Eine Muslima kann auch - und das ist umso besser - im Bikini schwimmen gehen.“
Zeichen fundamentalistischer Unterdrückung
Die konservative Tageszeitung ABC begrüßt das Burkini-Verbot:
„Ein so progressives Blatt wie die New York Times hat sich die ironische und verächtliche Schlagzeile erlaubt, in Frankreich sei der Burkini 'Die letzte Bedrohung der Sicherheit'. Kaum vorstellbar, dass solche Witze auch gemacht wurden, als der Westen in den vergangenen Jahrzehnten andere frauenfeindliche Regeln abgeschafft hat. Die Rolle der extremen Linken bei der Frauenbewegung erklärt diesen Widerspruch. Sie verficht gleichzeitig Multikulturalismus und Antiimperialismus und akzeptiert sogar den Burkini als Zeichen des Widerstands gegen westlichen Kulturimperialismus. Dass zwischen Bikini und Burkini die Werte der Freiheit und Gleichheit stehen, interessiert sie nicht: Hier die Freiheit westlicher Frauen, sich zu kleiden wie sie wollen und ihren Körper zu zeigen wie die Männer. Und dort die fundamentalistische Unterdrückung der Frauen: Sie werden gezwungen, ihren Körper in Burkinis zu verstecken.“
Frankreich blamiert sich
Tief in Frankreichs Seele blicken lassen die neuen Bekleidungsvorschriften für das Nachrichtenmagazin Polityka:
„Es ist einfach absurd, den Leuten vorzuschreiben, in welchen Anzügen sie zu baden haben. .... Dabei kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Monsieur Lisnard [Bürgermeister der Stadt Cannes] einfach nur einen albernen Witz macht. Im Prinzip bräuchte man sich mit der Angelegenheit gar nicht weiter auseinanderzusetzen. Doch sagt diese sehr viel über die derzeitigen Emotionen der Franzosen aus. Um den islamischen Extremismus geht es hier weniger. Frankreich lebt derzeit in Angst und Schrecken. Das ist nach den Anschlägen der Extremisten, die es jüngst gegeben hat, auch nur verständlich. Allerdings sollte sich das Land jetzt nicht lächerlich machen.“
Keule gegen Andersgläubige
Dem Burka-Verbot, das bereits seit sechs Jahren in ganz Frankreich gilt, widmet sich die Südddeutsche Zeitung und resümiert, dass dieses nichts gebracht hat:
„Verfehlt wurde das erste, offen erklärte Ziel: Die Zahl der Frauen, die vom Haupt bis zur Hacke verhüllt durch Frankreichs Straßen laufen, ist nicht gesunken. … Die Polizei schaut meist weg. Im Elend der Vorstädte ... spüren die Beamten anderen Verdächtigen nach als jenen (laut Studien) meist jungen, eher überdurchschnittlich gebildeten Frauen, die dem Vermummungsverbot trotzen. Kaum mehr geglückt scheint der Versuch zu sein, per symbolischen Akt die Ausbreitung des islamischen Fundamentalismus eindämmen zu wollen. ... Das Burka-Verbot war gut gemeint. Aber es weckte Erwartungen, die ein liberaler Staat niemals einlösen konnte. Nun lauert - von Frust und Wut genährt - eine neue Gefahr. Die Trennung von Kirche und Staat, einst eine Verheißung individueller Freiheit, wird in der Hand von Populisten zur Keule gegen Andersgläubige.“
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