Davos: Weltwirtschaftsforum in Krisenzeiten
Fünf Tage lang haben sich einflussreiche Vertreter aus Politik und Wirtschaft zum 53. Weltwirtschaftsforum in Davos getroffen. Laut Gründer Klaus Schwab soll das Forum dazu beitragen, den "Zustand der Welt zu verbessern". Um was es bei dem Treffen eigentlich geht, debattiert Europas Presse.
Schnödes Big Business
Das Weltwirtschaftsforum ist eine riesige Verkaufsmesse, meint The Times:
„Anders als die fantasievollen Kritiker von Davos suggerieren, ist das Problem nicht, dass hier eine elitäre Clique des bösartigen globalen Establishments die Unterwerfung der Menschheit zu einer untertänigen Herde plant. ... Davos ist weniger das böse Zentrum des Globalismus, sondern ein nahezu perfektes geografisches Abbild dessen. ... Das kleine schmutzige Geheimnis von Davos ist, dass es eine enorme Geschäftsmöglichkeit bietet. Finanz- und Industrietitanen kommen nicht in erster Linie hierher, um soziale und politische Kontrolle auszuüben, sondern um Geld zu verdienen, Hände zu schütteln, Geschäfte abzuschließen und Konkurrenten einzuschätzen.“
Die Politik gewinnt wieder die Oberhand
Der Wirtschaftsjournalist Wolfgang Münchau verabschiedet in El País die Phase der Hyperglobalisierung:
„Der Aufstieg der Hyperglobalisierung und die Makroökonomie sind eng verwoben. Makroökonomen haben die Liberalisierung und heute problematische Freihandelsabkommen unterstützt. ... Aber erwarten Sie keinen Rückzug in aller Stille. ... Ihr Hauptargument lautet, dass es keine Alternative zum Kapitalismus gibt. ... Die Geschichte ist voller Beispiele für Alternativen, die es so lange nicht gab, bis es sie gab. ... Mein Rat für die alternden, mehrheitlich männlichen Makroökonomen: Genießen Sie Ihren Ruhestand in der Karibik. Und wir leben weiter in einer Welt, in der die Politik wieder die Oberhand über die Wirtschaft gewinnt. Und das ist auch gut so.“
Party für die Reichen und Mächtigen
Äußerst wenig verspricht sich Primorske novice von dem Treffen:
„Da die Teilnehmer des Weltwirtschaftsforums in Davos Steuererhöhungen für Milliardäre nicht zustimmen, die Verlagerung von Gewinnen multinationaler Unternehmen in Steueroasen nicht verhindern und nicht auf Luxus verzichten werden, ist die traditionelle Sitzung des Weltwirtschaftsforums nur eine Party für die Anwesenden. … Ein paar Akademiker, Meinungsführer und Vertreter der Zivilgesellschaft sowie das Motto Kooperation in einer fragmentierten Welt geben den Anschein von Offenheit und Demokratie, was jedoch nichts an dem Eindruck ändern wird, dass die extrem Reichen nur so tun, als ob sie sich um ein besseres Morgen für unseren Planeten sorgen.“
Gipfel der Vetternwirtschaft
Beim Weltwirtschaftsforum geht es keineswegs um mehr freien Handel, meint The Spectator:
„Wer ernsthaft daran interessiert ist, Märkte zu liberalisieren – sowohl um den Handel zu verbessern als auch um die besten Voraussetzungen für einen steigenden Lebensstandard zu schaffen – weiß, dass man das sicher nicht schafft, wenn führende Vertreter aus Politik und Wirtschaft in einem Ferienort zusammengebracht werden. Die Vereinbarungen zwischen Regierungen und internationalen Konzernen, die sich in die Veranstaltung einkaufen können, führen viel eher dazu, den Protektionismus zu fördern. Das stellt sicher, dass die bereits bestimmenden Akteure an der Spitze bleiben und Start-ups und kleinere Unternehmen es viel schwerer haben, sich zu behaupten.“
Gerade in der Krise braucht es Austausch
Trotz aller berechtigten Kritik ist das Treffen enorm wichtig, betont die Frankfurter Rundschau:
„[G]erade in einer Zeit multipler Krisen. Denn wie, wenn nicht durch den Austausch der wirtschaftlichen und politischen Spitzenkräfte, sollen sich jene lösen lassen? Fragen, an denen die Zukunft von Milliarden Menschen hängt, warten auf eine Antwort. Was wird aus der Globalisierung? Was aus dem Kapitalismus? Wie lässt sich Sicherheit in Europa gegen Russland organisieren? Über all diese Fragen und einige mehr muss geredet werden – nicht nur, aber auch in Davos.“
Ungleichheit bedroht Demokratie und Kapitalismus
Auch die Reichen haben gute Gründe, sich Gedanken über Umverteilung zu machen, mahnt Público:
„Die Ungleichheit ist zur größten Herausforderung unserer Zeit geworden. Das Problem ist nicht in allen Ländern das gleiche. Aber es erfordert eine globale Lösung. Freies Unternehmertum, Demokratie und kapitalistische Akkumulation können nicht in einem Modell überleben, in dem laut Weltbank 1 Prozent der Bevölkerung 38 Prozent des Reichtums besitzt und 50 Prozent mit 2 Prozent auskommen. Der wachsende Unmut und das Erstarken der politischen Extreme nähren sich aus dieser unhaltbaren Grundlage. Den Unmut zu stoppen ist von großer Bedeutung für die Rettung der Demokratie - und des Kapitalismus.“