Putin: Bestätigung unter Dach und Fach
Die Präsidentenwahlen in Russland haben mit dem erwarteten Ergebnis geendet: Wladimir Putin ist bis 2030 an der Spitze des Landes bestätigt worden – mit offiziell 87,28 Prozent der Stimmen. Wahlbeobachter berichteten von weit über 1.000 Fällen von Unregelmäßigkeiten, Oppositionskandidaten waren nicht zugelassen. Europas Presse diskutiert, was sich aus dem Verlauf des Urnengangs dennoch herauslesen lässt.
Totale Kontrolle ist möglich
Andere Diktatoren können vom Kremlchef einiges lernen, befürchtet Berlingske:
„Die Wahl zeigt, dass es auch heute noch – und trotz grenzüberschreitender Technologie – möglich ist, die totale Macht über ein Land zu haben. ... [Die Machthaber in] China und Nordkorea haben ihre Macht nie losgelassen und gelernt, Technologie im Dienste der Diktatur einzusetzen. Das hat auch Putin gelernt, und letzteres ist tatsächlich schwieriger, wenn es vorher ein gewisses Maß an Freiheit gegeben hat. Die wirklich schockierende Erkenntnis der Wahlen in Russland ist, dass die Demokratie auch heute noch ganz leicht wachsen und dann völlig zerstört werden kann. Die Wahlen in Russland haben andere autokratische Führer Blut lecken lassen.“
Weg frei für weitere "Säuberungen"
In seiner Kolumne für NRC befürchtet Russland-Kenner Hubert Smeets Staatsterror Stalinscher Prägung:
„Die politische Opposition ist ermordet (Nawalny), inhaftiert (Kara-Mursa) oder verjagt worden. ... Jetzt kann auch die Verwaltungs- und Wirtschaftselite gesäubert werden. Die Zivilgesellschaft im eigenen Land ist bereits zerquetscht. Was jetzt noch blüht, kann er auch einfach ausrotten. Russen, die dennoch für das letzte bisschen bürgerliche Autonomie und Freiheit eintreten wollen, haben kaum Alternativen. Jeder Weg zu einer friedlichen Übernahme der politischen Macht könnte durch das Wahlergebnis versperrt werden.“
Türkei in kniffliger Lage
Für T24 ist ein siegreicher Putin auch ein Risiko für Russlands südliche Nachbarn:
„Das Ergebnis gibt Putin die Möglichkeit, in seinem Kampf gegen die USA und die Nato zu tun, was er will. ... Die Welt und die Regionen, in denen sich die Türkei befindet (Schwarzes Meer, Kaukasus, Naher Osten usw.), könnten politisch zunehmend vom Konflikt zwischen Russland und dem Westen beeinflusst werden, die internationale und die regionale Stabilität könnten ernsthaft gefährdet sein. Unter diesen Umständen ist es für die Türkei entscheidend, nationalen Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen in ihren Beziehungen zu Russland Vorrang einzuräumen, ihre Vermittlungsbemühungen zwischen dem Westen, Kyjiw und Moskau fortzusetzen, aber riskante Bereiche wie Handel und Zusammenarbeit auf militärischer Ebene vorsichtig zu vermeiden.“
Das System wird ihn überdauern
Für Phileleftheros lässt sich die politische Lage in Russland nicht nur an Putin festmachen:
„Das Problem ist, dass diejenigen, die Wladimir Putins Nachfolge antreten könnten, nicht für ihre demokratischen Ideale bekannt sind. ... Es handelt sich um einen Kreis alter Männer mittleren Alters mit der gleichen Mentalität und Denkweise. Ihr Ziel ist es, so nah wie möglich an der Macht zu bleiben, damit sie und ihre Gefolgschaft profitieren können. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass der Putinismus auch dann weiterbestehen wird, wenn Wladimir Putin von der Bildfläche verschwunden ist. ... Die politische und wirtschaftliche Elite Russlands wird dafür sorgen, dass der Übergang der Macht von Putin auf jemand anderen erfolgt, der wie Putin ist.“
Er hat viele überzeugt
Die Mehrheit der Russen scheint den Präsidenten trotz allem zu unterstützen, meint Večernji list:
„Trotz der öffentlichen Demonstration von Unzufriedenheit sollte man nicht daran zweifeln, dass Putin eine überzeugende Unterstützung im Land genießt, obwohl die Zahl von 87 Prozent sicherlich eine Folge von Wahlunregelmäßigkeiten ist. Putin möchte mit diesem Ergebnis der Welt und besonders dem Westen beweisen, wie umfassend er Russland kontrolliert, aber auch, dass sein Krieg gegen die Ukraine ungehindert weitergehen wird. ... Putin hat die Mehrheit der Russen davon überzeugt, dass der Krieg in der Ukraine ein Krieg ist, mit dem sich Russland vor dem dekadenten Westen schützt, so wie sich die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg vor Nazi-Deutschland geschützt hat.“
Kein selbst ernannter Präsident
Die Redaktion von Ukrajinska Prawda sucht nach dem richtigen Wording für Putin:
„Selbst wenn die Vermutung, Millionen Stimmen für Putin wären gefälscht, stimmt, besteht kein Zweifel daran, dass er auch bei einer fairen Auszählung die Wahl in Russland gewonnen hätte. ... Die Russen unterstützen auch den Krieg, den er gegen die Ukraine entfesselt hat. ... Das ist der Krieg der Russen gegen unseren Staat, nicht 'Putins Krieg'. Daher sind alle Begriffe, die Putin von seinem Volk trennen und ihm allein die Schuld zuschieben, falsch. ... Deshalb werden wir auch nach der erneuten Amtseinführung Putins nicht den Begriff 'selbst ernannter Präsident' verwenden. ... Er ist und bleibt: Herrscher der Russischen Föderation.“
Ältere sind von Nostalgie geprägt
Es gehe auch um einen Generationenkonflikt, beobachtet der Publizist Tamás Péter in Index:
„Das Kaltstellen von Nadeschdin und Liquidieren von Nawalny kann nicht nur aus der Perspektive betrachtet werden, dass die Oppositionsführer in Putins Russland kein Mitspracherecht haben, sondern auch aus der Perspektive, dass die Generationen, die zehn bis zwanzig Jahre jünger sind als die derzeitige Machtelite, keine Chance haben, in der nahen Zukunft einen politischen Wechsel zu bewirken. ... Die wirkliche Macht liegt bei Putin und den Silowiki [Vertreter der Sicherheitsdienste], die alle der in den 50er Jahren geborenen Generation entstammen. Dies ist die Generation, deren Denken bis heute von der Nostalgie für die Zeiten des Kalten Krieges und den sowjetischen Imperialismus geprägt wird.“
Putin gewinnt gegen Putin
Webcafé-Kolumnist Dragomir Simeonow hat für die Farce nur Spott übrig:
„Ich habe gehört, dass in Russland Wahlen stattgefunden haben. Ich hatte völlig vergessen, dass sie dort eine Demokratie haben. Seltsam, die Russen haben es noch nicht aufgegeben, sie zu imitieren. ... Sie wählen wieder zwischen Putin und Putin. Ich wünschte, sie hätten die echten Namen seiner Doppelgänger auf die Stimmzettel gesetzt, damit das Volk nicht durcheinander kommt. Wie auch immer, das Endergebnis interessiert niemanden, denn es steht schon lange fest.“
Jetzt könnte die Generalmobilmachung kommen
Putin wird das Ergebnis für den Krieg gegen die Ukraine ausschlachten, ist Jurnalul National überzeugt:
„Durch eine enorme Wahlbeteiligung und einen Erdrutschsieg wollte Putin zeigen, dass er eine überwältigende Unterstützung für die Invasion im Nachbarland hat. Das Endergebnis könnte dem Kremlchef also einen großen Schub für den Krieg in der Ukraine geben. Er kann nun eine allgemeine Mobilisierung in Russland anordnen, was eine Entsendung zusätzlicher Kontingente an die Front bedeutet. Da die US-Militärhilfe für Kyjiw weiterhin im Kongress blockiert wird und die europäischen Zusagen sich verzögern, würde das die ukrainische Verteidigung enorm in Zugzwang bringen und das Gleichgewicht in dieser Konfrontation zugunsten Moskaus verschieben.“
Nur sein Fall kann etwas bewirken
El Mundo sieht mit Sorge, wie stark Putin derzeit ist:
„Die Wahlen dienten der politischen Abschirmung eines Krieges, in dem die Zeit zugunsten des Kremls spielt. Er vertraut darauf, dass die westlichen Verbündeten mürbe werden, wie die jüngste Konfrontation von Macron und Scholz auch gezeigt hat. ... In den vergangenen zwei Jahren war Putin nie stärker. ... Das zwingt Europa, alles zu tun, um Kyjiw gegen ein Russland zu verteidigen, das zu einer existenziellen Bedrohung geworden ist und in Zukunft die ehemaligen Sowjetrepubliken Estland, Lettland und Litauen absorbieren könnte, die jetzt zu Europa gehören. ... Putins Niederlage ist auch der einzig mögliche Weg zu einem Übergang zur Demokratie, zur Aufhebung der Sanktionen und zur Wiedereingliederung Russlands in die internationale Gemeinschaft.“
Warteschlangen als Zeichen des Wandels
La Stampa erkennt ein Omen:
„In Russland sind die Warteschlangen wieder da. Das Verschwinden des berühmten Phänomens, das für den Sowjetsozialismus typisch war, galt als großer Sieg – als Maßstab für den zumindest wirtschaftlichen Erfolg der neuen postkommunistischen Nation. ... Doch die Wochen vor Putins sogenannter Wahl waren wieder von langen Schlangen geprägt. Zunächst die Schlangen der Unterstützer für Boris Nadeschdin. ... Dann die kilometerlangen Schlangen, um am Grab von Alexej Nawalny die letzte Ehre zu erweisen. Gestern warteten russische Wähler im Ausland stundenlang vor Botschaften. Vor vielen Wahllokalen in russischen Großstädten bildeten sich gegen 12 Uhr mittags Schlangen, die Stunde, die Putins Kritiker auserkoren hatten, um zu zeigen, dass es sie noch gibt.“
Exil-Opposition ohne jeden Einfluss
Ukrajinska Prawda klagt:
„Das Hauptmerkmal der russischen Opposition liegt darin, dass sie keine Opposition ist. Dieser Status ist naturgemäß untrennbar mit dem Kampf um die Macht verbunden, doch kaum jemand hält diejenigen, die das Land verlassen haben, ernsthaft für die Träger der Zukunft Russlands. Solange die Vertikale [der Macht] in Russland einem Mast ähnelt, der vor Spannung knistert, bleibt den russischen Andersdenkenden nur die Rolle der Dissidenten. Derjenigen also, die nur ihr Recht verteidigen, am Rande zu stehen, während die anderen auf dem Paradeplatz marschieren. ... Die russischen Emigranten haben keinen Einfluss auf das Geschehen im Land. ... Vor dem Krieg lief ihre Hauptagenda auf die Korruptionsbekämpfung hinaus – und schon damals war das nicht das größte Problem Russlands.“
Russen haben ihren Herrscher selbst gewählt
Ein Machtwechsel in Russland kann nicht von außen herbeigeführt werden, betont Savon Sanomat:
„Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass die Russen ihren zukünftigen Herrscher selbst gewählt haben, als sie sich gegen Boris Jelzin wendeten, der in den 1990er Jahren bürgerliche Freiheiten und Demokratie förderte. Mit der Wirtschaftskrise 1998 verschärfte sich die Lage. Die Menschen wollten Ordnung, und die haben sie auch bekommen. Der russische Machtapparat kann von niemandem außer den Russen selbst ausgewechselt werden. Das Schauspiel um Jewgeni Prigoschin im letzten Sommer, als er den Krieg in der Ukraine infrage stellte, hat gezeigt, dass alles Mögliche in sehr kurzer Zeit passieren kann.“