Wie geht es weiter in Simbabwe?
Am Dienstag hat der Parlamentspräsident von Simbabwe den Rücktritt von Präsident Robert Mugabe verkündet. Der 93-Jährige hatte Simbabwe fast vierzig Jahre mit harter Hand regiert, bis das Militär vergangene Woche die Kontrolle übernahm und ihn unter Hausarrest stellte. Europas Presse widmet sich den Ursachen des Putsches und drängt Europa, sich stärker für einen Wandel in Simbabwe einzusetzen.
Mugabe war kein geborener Diktator
Mugabes Werdegang ist ein lehrreiches Beispiel im schlechtesten Sinne, erklärt der Publizist Gyula Hegyi in der Tageszeitung Magyar Nemzet:
„[Er zeigt], wie aus einem talentierten Politiker und Freiheitskämpfer ein verhasster Diktator wird. ... Als Premier von Simbabwe kam Mugabe den ehemaligen weißen Unterdrückern anfangs noch mit großherzigen Gesten entgegen. Später wandelte sich seine Gesinnung, was mit einer stetigen Verrohung seiner Politik einherging. ... Als allmächtiges Staatsoberhaupt von Simbabwe ging er nicht nur daran, ein autokratisches Einparteiensystem aufzubauen und die Opposition auszuschalten, sondern auch die weißen Siedler zu enteignen. ... Mugabe wurde nicht als böser Diktator geboren, er war ein aus armen Verhältnissen stammender, idealistischer Politiker, der letztlich von seiner Allmacht und machtversessenen Kamarilla korrumpiert wurde.“
Europa darf sich nicht täuschen lassen
Der vom Volk erhoffte Neuanfang ist durch den Rücktritt Mugabes noch längst nicht erreicht, mahnt die Süddeutsche Zeitung:
„Der mutmaßliche Nachfolger Emmerson Mnangagwa und seine Clique haben klargemacht, was dieser Wechsel für sie ist: eine interne Angelegenheit, bei der ein korrupter Verbrecher den anderen ablöst. Sie haben aber unterschätzt, dass das Volk genug hat von ihnen, zu Hunderttausenden auf die Straßen stürmte und aus dem Putsch eine Art Revolution machte, die mehr will als kosmetische Veränderung ... . Auch der Westen kann etwas dafür tun, dass die Revolution in Simbabwe nicht erstickt. Mugabe wurde von seinen Leuten auch abgesetzt, weil es nichts mehr zu plündern gab. Die Neuen werden jetzt von Reformen reden, weil sie Investitionen brauchen. Darauf darf Europa aber nicht hereinfallen. Geld darf es nur für echten Wandel geben.“
Ein Putsch gegen Grace Mugabe
Nicht Robert Mugabe sondern seine Frau Grace war das eigentliche Ziel der Putschisten, betont Helsingin Sanomat:
„Seit die Armee ihren eigenartigen, phasenweise voranschreitenden Putsch am Morgen des vergangenen Mittwoch in der Hauptstadt Harare begonnen hat, richtet sich die Aufmerksamkeit auf die falsche Person. Nicht um Robert geht es, sondern um Grace. ... Robert Mugabe ist der Welt ältester Staatschef, das Problem war daher offensichtlich nicht seine Absetzung, sondern seine Nachfolgerin. Der Putsch hat die 52-jährige Präsidentengattin Grace Mugabe, deren Aufstieg zur Nachfolgerin ihres Mannes offen vorbereitet wurde, an den Rand gedrängt. Grace Mugabe hat den Ruf, rücksichtslos und gewalttätig zu sein. Am Ende hatte sie alle mächtigen Gruppen gegen sich.“
Wenig Hoffnung für die Zukunft
Wäre die derzeitige Situation nicht so tragisch, müsste man über sie lachen, findet Público:
„Ein abgesetzter Präsident, der einfach nicht gehen will. Dabei hatten alle gehofft, er werde die Gelegenheit nutzen, seine Macht mit Würde aufzugeben - der Würde eines Diktators, der sich nie um sein Volk gekümmert hat. ... [Sein früherer Stellvertreter] Mnangagwa wird weiter darauf warten müssen, die Macht zu ergreifen, die ihm nach Jahren im Schatten des alten Diktators zusteht. Für Simbabwe ist leider keine wesentliche Veränderung absehbar: Der Reichtum des Landes wird weiterhin von einer Elite kontrolliert werden, die ihre Macht um keinen Preis abgeben wird. ... Ob Mugabe oder Mnangagwa - die Demokratie wird nicht so schnell nach Harare kommen.“
Mugabe war grotesker Tyrann
Mugabes Zeit ist vorbei, meint der rumänische Politologe Ioan Stanomir auf dem Onlineportal Contributors:
„Im Hausarrest kann sich Robert Mugabe auf das Ende seiner Herrschaft besinnen. Sein Erbe besteht in der Plünderung der Wirtschaft und in der Kasernendisziplin eines Staats, der auf einer einzigen Partei basiert [deren Gründer Mugabe ist]. Als Held der internationalen Linken, als Weltmeister im Kampf gegen die Imperialisten war Robert Mugabe vier Jahrzehnte lang der hartnäckige Erbauer einer afrikanisch gefärbten Volksdemokratie. Mit seinem megalomanischen Personenkult und seiner Unfähigkeit, Kompromisse zu akzeptieren, ist Robert Mugabe das Abbild eines Jahrhunderts der Autokratie.“
Den Absprung verpasst
Jetzt zählt vor allem die Zukunft Simbabwes, argumentiert Diário de Notícias:
„Mugabe hätte ein großer Staatsmann sein können. Doch er hat diese Gelegenheit verpasst. ... Der 93-jährige Präsident, der nun einen Militärputsch erlebt, hat sich im Laufe der Jahrzehnte zu einem Autokraten entwickelt. ... Er hat sich so an die Macht geklammert, dass er die Wirtschaft des Landes ruiniert und das Land in eine Hyperinflation gestürzt hat. Und irgendwann akzeptierte Mugabe den Willen seines Volkes nur noch, wenn dieser zu seinen Gunsten war. ... Die große Frage heute ist nicht Mugabes Schicksal, sondern vielmehr, was aus Simbabwe werden wird. Sein Gründer jedenfalls hat die Gelegenheit verpasst, bedeutend zu werden.“
Notbremse gegen den Mugabe-Clan
Vage Hoffnung für Simbabwe sieht Hospodářské noviny:
„Wenn man demokratische Werte hochhält, dann ist ein Putsch eigentlich nichts, das man mit Beifall quittiert. Im Fall von Simbabwe erweckt er den Eindruck einer Notbremse, den das Militär gezogen hat. Gott sei Dank. Sollte die Armee die Mugabe-Bande, inklusive Mugabes Ehefrau, von der Macht entfernen, dann gibt sie dem Land die Chance auf einen Wandel. Die Chance, dass das Land bald von jemand anderem regiert wird - womöglich undemokratisch und autoritär, aber wenigstens nicht mehr so räuberisch, blutrünstig und verrückt. Von jemandem wie etwa Paul Kagame, dem Präsidenten von Ruanda. Obwohl der keine freie Presse und Opposition zulässt, herrschen dort Ruhe und für afrikanische Verhältnisse Fortschritt.“
Nun könnte der Weg frei sein für neue Kredite
Dass der Putsch die wirtschaftliche Lage in dem gebeutelten Land verbessert, hofft Finanz und Wirtschaft:
„Viele fürchten … eine Rückkehr der Hyperinflation. Nach der Abschaffung der völlig wertlosen Landeswährung 2009 wurde der US-Dollar eingeführt. Unterdessen hat der Devisenmangel die Importe auf ein Minimum zusammenschrumpfen lassen. Erst vor wenigen Wochen hatten Engpässe an Nahrungsmitteln und Benzin landesweit zu Panikkäufen geführt. Gleichzeitig sind die Preise massiv gestiegen. Im Oktober hatte die Regierung auf den Jahrestreffen von Weltbank und Internationalem Währungsfonds noch um einen abermaligen Schuldennachlass und neue Kredite für die ruinierte Wirtschaft gebettelt. Doch solange Mugabe das Sagen hatte, war daran nicht zu denken. Nach seinem überfälligen Abgang könnte sich dies nun ändern.“
So schnell wie möglich Wahlen abhalten
Hin- und hergerissen ist der Afrika-Korrespondent der Frankfurter Rundschau, Johannes Dieterich, bei der Beurteilung der jüngsten Ereignisse:
„Tatsächlich kann ein Militärcoup auch mal das Leiden eines Volkes beenden: Der Putsch gegen den unsäglichen Präsidenten Robert Mugabe und dessen noch unsäglichere Frau Grace könnte weiteres Unheil von der südafrikanischen Staatsruine abwenden. ... Trotzdem ist eine derartige Lösung des Problems mit größten Gefahren verbunden. Denn jetzt haben die Militärs die Macht - und keiner kann sie zwingen, ihrer widerrechtlich errungenen Herrschaft wieder ein Ende zu machen. Allein an den 'humanitären' Usurpatoren liegt es nun, die Geschicke des Landes in die Hände wirklicher Volksvertreter zu legen. Simbabwe braucht Wahlen - so schnell wie möglich.“
Skrupellose Hardliner weiter an der Macht
NRC Handelsblad hingegen fürchtet, dass der Coup keine Verbesserung bringen wird:
„Die Putschisten sind dieselben mehr oder weniger kommunistischen militärischen Hardliner, die schon seit 1980 verantwortlich sind für Menschenrechtsverletzungen und maßlose Korruption in diesem afrikanischen Land. ... Offenbar geht es um einen Kampf zwischen zwei Fraktionen, die die Macht wollen, nachdem das hohe Alter und der schlechte Gesundheitszustand von Mugabe das natürliche Ende seiner Herrschaft eingeleitet haben. ... Für die Opposition bedeutet die Machtergreifung keine Verbesserung. Sie ist übrigens auch durch interne Probleme geschwächt. Die Bürger von Simbabwe können langfristig nur auf internationalen Druck auf Harare hoffen. ... Der muss vor allem von anderen afrikanischen Staaten kommen, zuallererst vom Nachbarland Südafrika.“
Wird der Rausch der Rache verhindert?
Was nun mit dem abgesetzten Diktator passiert, beschäftigt Upsala Nya Tidning:
„Als nächstes wird sich wohl die Frage der Rache an Mugabe stellen, von den Angehörigen jener, die unter seinem beinahe 40 Jahre währenden Regime misshandelt, gefangen oder getötet wurden. Sie wollen nicht, dass er sein Leben, wie so viele andere afrikanische Diktatoren, bequem im Ausland beendet. Aber der Oppositionsführer Tendai Biti denkt da anders und sieht Singapur (wo die Mugabes viel Zeit verbracht haben) als ein mögliches Domizil. … Der Leitartikler des Guardian, Jonathan Freedland, glaubt, dass Biti sich Tunesien als Vorbild genommen hat, wo Ben Ali das Land verlassen hat und die Demokratie gekommen ist. Im Gegensatz zu Libyen, wo Gaddafi ermordet wurde - mit Chaos als Folge.“