Schweizer HSBC half bei Steuerbetrug
Der Schweizer Ableger der britischen Bank HSBC soll mehr als 75 Milliarden Euro Schwarzgeld ausländischer Kunden geparkt haben. Entsprechende Enthüllungen hat ein internationaler Rechercheverband am Sonntag veröffentlicht. Die EU muss Steuerhinterziehern endlich das Handwerk legen, meinen einige Kommentatoren. Für andere ist die öffentliche Aufregung um Schweizer Steuerpraktiken pure Heuchelei.
EU muss Länder schärfer kontrollieren
Die EU muss mit dem Steuerflucht-Unwesen endlich aufräumen, fordert die linksliberale Tageszeitung Politiken: "Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass sich die Politiker infolge der Artikelserien rund um Lux Leaks und nun Swiss Leaks dem Problem jener multinationalen Konzerne und reichen Einzelpersonen widmen, die alles dafür tun, um in ihren Heimatländern keine Steuern zu zahlen. Die EU-Kommission scheint diese Aufgabe ernst zu nehmen - problematisch ist freilich, dass es sich beim Kommissionschef um Luxemburgs langjährigen Regierungschef handelt, der selbst einschlägig belastet ist. Die EU muss weiter die Kontrolle von Ländern verschärfen, die sich auf Kosten anderer bereichern. Wenn die zweitgrößte Bank der Welt, HSBC, nun Verantwortung für die 'frühere Verletzung von Kontrolle und Regelwerk' übernimmt, sind wir schon auf einem guten Weg."
Swiss Leaks stellt Schweiz an den Pranger
Die Swiss-Leaks-Veröffentlichungen offenbaren nicht nur die Geschäftspraktiken der HSBC, sondern stellen auch die Schweiz selbst an den Pranger, meint der öffentlich-rechtliche Deutschlandfunk: "Der freundliche HSBC-Berater war jahrelang stets zur Stelle, wenn es darum ging schmutziges Geld aus Bürgerkrieg und Diamantenschmuggel zu waschen. Und zwar höchstwahrscheinlich - wenn nicht mit Wissen - so doch mit Duldung seiner Chefs. ... Ist es vorstellbar, dass Despoten, Terrorfinanziers und Steuerhinterzieher aus der ganzen Welt ihr Geld in der Schweiz bunkern, ohne dass die Behörden davon Kenntnis haben? Wohl kaum. Swiss Leaks wirft insofern auch ein grelles Schlaglicht auf einen kleinen Staat, für den Steuerhinterziehung und Geldwäsche jahrzehntelang ein lukratives Geschäft waren. Und offenbar immer noch sind. Denn das einzige Ermittlungsverfahren, das derzeit in der Schweiz in Sachen Swiss Leaks läuft, richtet sich nicht etwa gegen die HSBC-Bank. Es richtet sich ausgerechnet gegen den Mann, der die Swiss-Leaks-Daten beschafft hat: den Whistleblower Hervé Falciani."
Journalisten Steigbügelhalter der Steuerfahnder
Das internationale Konsortium investigativer Journalisten ICIJ hat sich bei der Swiss-Leaks-Veröffentlichung auf Unterlagen bezogen, die französische Fahnder von einem ehemaligen Mitarbeiter der HSBC erhalten hatten. Eine gefährliche Nähe zwischen Staatsmacht und Presse, findet die liberale Tageszeitung Corriere del Ticino: "Swiss Leaks ist alles andere als investigativer Journalismus. Die Daten sind weder von Journalisten recherchiert noch gefunden worden, sondern sind ihnen von einem Subjekt übermittelt worden, das kein journalistisches, sondern ein wirtschaftliches und politisches Interesse verfolgte. Das Subjekt sind in dem Fall die Steuerfahnder der französischen Regierung, die den internationalen Rechercheverband ICIJ benutzt haben, um ihre Daten zu verbreiten. Regierungen und Geheimdienste wissen heute, dass sie auf diesen Verband zählen können, der bereit ist, Resonanzkasten zu spielen und Daten und Informationen zu verbreiten, deren Veröffentlichung Regierungen und Geheimdienste ausschließlich in ihrem eigenen Interesse für nützlich halten."
Aufregung um Schweizer Steuergesetze Heuchelei
Die Entrüstung über die Schwarzgeldkonten bei der HSBC ist scheinheilig, schimpft die konservative Tageszeitung The Irish Independent: "Das Schweizer Bankwesen ist gewiss nicht edel und gut. Es ist vielmehr eine gigantische Verschwörung, um Regierungen Reichtum vorzuenthalten. Doch es ist wohl kaum schlimmer als unsere Steuergesetze, die mit Kniffen wie dem sogenannten 'Double Irish' Firmen und Einzelpersonen erlauben, Geld vor dem heimischen Steuereintreiber zu schützen. Das ist das, was kleine Länder machen: Luxemburg, Liechtenstein, die Niederlande, Malta, Irland, Andorra, die Schweiz. Die großen Länder runzeln die Stirn, erheben mahnend den Zeigefinger und winken dann Gesetze voller Schlupflöcher durch, damit ihre größten Firmen und ihre reichsten Menschen die Steuersysteme von Ländern wie Irland ausnutzen können."