EU-Staaten weiter uneins über Flüchtlingsquote
Die EU-Innenminister haben am Dienstag erneut keine Einigung bei der Verteilung von Flüchtlingen erzielt. Neuen Streit gibt es auch über die Weiterreise hunderter Migranten von Italien nach Frankreich. Ohne Solidarität wird es keine Lösung der Flüchtlingskrise geben, meinen Kommentatoren und fordern die EU-Staaten auf, endlich ihre nationale Brille abzusetzen.
Keine Flüchtlingspolitik ohne Solidarität
Nur eine solidarische Haltung der EU-Staaten wird zur Überwindung der Flüchtlingskrise beitragen, meint die linksliberale Tageszeitung De Volkskrant: "Italiens Nachbarländer, allen voran Frankreich, schließen sogar wieder die Grenzen, um die unwillkommenen Gäste abzuwehren. Menschenunwürdige Szenen wie in Ventimiglia oder Calais sind die Folge. Und dies alles in der reichsten Länder-Union dieser Erde. Das kann nicht angehen. ... Die EU ist nach Ansicht ihrer Gründer ein Schiff der europäischen Schicksalsgemeinschaft. Doch je stärker die Stürme, die auf die EU zurasen, desto größer die Neigung einiger Matrosen, jeweils ein eigenes Rettungsboot zu Wasser zu lassen und das Weite zu suchen. Denn wer weiß: Vielleicht werden die anderen ja vor uns von den Wellen verschlungen. Diese Haltung ist kurzsichtig und dumm und wird die Probleme nicht lösen. Europa muss solidarisch sein, oder Europa wird gar nichts sein."
Endlich nationale Egoismen überwinden
Die EU-Staaten müssen endlich ihre nationalen Egoismen überwinden, fordert die liberale Tageszeitung Le Soir mit Blick auf die Debatte um die Flüchtlingsquote: "Eine Gemeinsamkeit verbindet die Unzufriedenen: kleine nationale Egoismen. Aber auch die Angst, der öffentlichen Meinung zu erklären, dass die Aufnahme von einigen zusätzlichen Flüchtlingen in einer Krisensituation zur grundlegendsten Solidarität gegenüber den am stärksten betroffenen Ländern zählt. Jeder weiß, dass Migration und Integration zu den Themen gehören, die vor der öffentlichen Meinung am schwierigsten zu verhandeln sind. Die Staaten erweisen sich selbst jedoch den schlechtesten Dienst, indem sie diese Probleme hartnäckig nur durch ihre nationale Brille betrachten. Gerade weil diese Herausforderung die einzelnen Mitgliedstaaten überfordert, ist ein gemeinsames Handeln nötig."
Europa verkauft Waffen und seine Seele
Grenzen sind nur für Waffen durchlässig, nicht für Menschen, wettert die linksliberale Tageszeitung La Repubblica: "Europa schürt die Krisen und Konflikte in den Herkunftsländern der Flüchtlinge, indem es an die jeweiligen Regierungen Waffen verkauft. ... Regierungen, die es aufgrund seiner Interessen - und wider besseres Wissen - als rechtmäßig einstuft. Gewissensbisse weiß Europa mit folgendem Mantra zu beruhigen: Wenn nicht wir die Waffen lieferten, würden es andere Staaten tun. ... Wegen einiger zehntausend Flüchtlinge, die Europa um Hilfe bitten, verkauft es seine Seele. Eine föderale, stabilere Union, die bereit wäre, gemeinschaftliche politische Entscheidungen zu fällen, könnte mit Würde die Pflichten erfüllen, die die Gründungsprinzipien ihr gebieten. In Momenten wie diesen könnten wir mit einem mehr an Europa die Werte retten, die unsere Identität ausmachen."
Euroskeptiker üben Druck auf London aus
Dass auch die britische Innenministerin Theresa May die Flüchtlingsquote ablehnt, zeigt wieder einmal, wie sehr sich die britische Regierung von den EU-Kritikern im eigenen Land einschüchtern lässt, kommentiert die linksliberale Tageszeitung The Guardian: "May hat stets die Innenpolitik im Auge. Denn wenn es der EU gelänge, Großbritannien dazu zu bringen, eine Quote zu akzeptieren, würde das sofort als mögliche Bedrohung der britischen Souveränität aufgefasst werden. Das wiederum würde die Anti-Europäer im Parlament und in der Presse wütend machen und die Verhandlungsstrategie der Regierung mit Blick auf eine EU-Reform bedrohen. ... Die Grundursache für Ablehnung der Quote ist die Weigerung innerhalb der [regierenden] Tory-Partei, in der EU irgendetwas Positives außer dem Binnenmarkt zu sehen. Das zeigt sich auch in der Gleichgültigkeit gegenüber der Griechenland-Krise, die in Wahrheit viel drängender ist als die ewigen Beschwerden Großbritanniens."