Separatisten siegen in Katalonien
Bei der Regionalwahl am Sonntag in Katalonien haben das separatistische Parteienbündnis Junts pel Sí und die Linkspartei CUP die absolute Mehrheit der Parlamentssitze errungen. Die Zentralregierung darf das Wahlergebnis keinesfalls ignorieren, fordern einige Kommentatoren und glauben, dass es den Separatisten in anderen Ländern Europas Aufwind bescheren wird.
Sieg der Separatisten betrifft ganz Europa
Der Ausgang der Regionalwahl in Katalonien wird gravierende Folgen für die EU haben, prophezeit die linksliberale Tageszeitung La Repubblica: "Denn wenn die Front der Separatisten, wie sie versprochen hat, binnen 18 Monaten den Widerstand Madrids brechen sollte, würde dies nicht nur die Abspaltung Kataloniens von Spanien, sondern auch deren Austritt aus der EU und der Eurozone bedeuten. ... Welchen Verlauf die Kontroverse und der Versuch Barcelonas, sich von Madrid zu emanzipieren auch nehmen wird, wir können sicher sein, dass sie nicht leicht zu schlichten sein wird, sondern die Gemüter der Spanier, ganz gleich welcher politischer Orientierung, weiter erregen wird. Hoffentlich wird dies nicht in Gewalt ausufern. Vor allem aber wird der Kampf von anderen Separatisten, von Schottland über Flandern, von den Norditalienern der Poebene ganz zu schweigen, aufmerksam verfolgt werden. Denn sie sind sich bewusst, dass ihr Bestreben nach Unabhängigkeit vom Erfolg der katalanischen Bewegung abhängt."
Madrid darf Wahlergebnis nicht ignorieren
Das separatistische Parteienbündnis Junts pel Sí und die Linksseparatisten CUP erreichten zwar die absolute Mehrheit der Sitze, aber nur knapp 48 Prozent der Wählerstimmen. Auch wenn sie damit ihr Ziel verfehlten aus der Wahl ein eindeutiges Votum für die Unabhängigkeit Kataloniens zu machen, muss Madrid jetzt auf die Separatisten zugehen, fordert die linksliberale Tageszeitung El País: "Eine Alternative [zur Regierungskoalition der Separatisten] scheint schwierig bis unmöglich. Deshalb, und weil auch andere Listen eine Reform der Beziehungen zwischen Zentral- und Regionalregierung fordern, darf niemand das Wahlergebnis ignorieren, auch nicht die Zentralregierung in Madrid. Sie muss dringend reagieren, die Türen zum Dialog öffnen und Lösungsangebote machen, um auf die eindeutige Forderung der Katalanen nach Veränderung zu antworten. Anstatt sich weiter hinter den Gerichten zu verstecken, muss die Regierung endlich klare Angebote machen."
Spanien ist kein Gefängnis der Völker
Ist der Regierung in Madrid wirklich an der Einheit Spaniens gelegen, muss sie überlegen, wie sie den Katalanen entgegenkommen will, meint die liberal-konservative Neue Zürcher Zeitung: "Bisher fand ein Dialog zwischen Madrid und Barcelona überhaupt nicht statt, die politischen Protagonisten verhinderten einen solchen regelrecht. Der spanische Regierungschef Mariano Rajoy und auch Mas profilierten sich vor den Wählern in einer Pose rechthaberischer Sturheit. Vorgeblich ging es ihnen um hehre Prinzipien, dem einen um die Einheit Spaniens, dem andern um das Selbstbestimmungsrecht der Völker, doch eigentlich ging es ihnen einfach um Stimmengewinne. Die gesamtspanischen Wahlen stehen noch bevor. Ob neue Regierungen in Madrid und Barcelona ernsthafte Verhandlungen in Gang setzen, wird man sehen. ... Die spanische Verfassung versteht Spanien nicht als 'Gefängnis der Völker'. Sie verbietet auch nicht die Debatte über grundlegende Fragen des spanischen Staates, und sie lässt sich nötigenfalls ändern."
Unabhängigkeit ist unrealistisch
Eine Unabhängigkeit Kataloniens binnen 18 Monaten scheint nach dieser Wahl sehr unrealistisch zu sein, meint die liberale Tageszeitung Público und fordert beide Seiten auf, zum Verhandlungstisch zurückzukehren: "Was in Madrid als 'sezessionistisches Abenteuer' angesehen wird, kann jetzt erstmals mit Zahlen belegt werden: Fast die Hälfte der Katalanen glaubt an eine bessere Zukunft mit eigenen Institutionen. ... Spanien muss sich also ernsthaft mit der katalanischen Frage auseinandersetzen, denn ein Spaltungsszenario ist nicht sinnvoll. Daher ist es notwendig, die Realität so zu betrachten, wie sie eben ist - ohne Illusionen. Eine Lösung muss politisch sein und kann nur durch Verhandlungen gefunden werden. ... Der katalanische Regierungschef Mas hatte angekündigt im Falle eines Wahlsiegs binnen 18 Monaten mit Madrid über eine Abspaltung zu verhandeln. Das ist nun einfach nicht mehr realistisch. Wir alle wissen aber - auch Mas -, dass es immer möglich ist zu verhandeln, solange der Wille dazu besteht."