Russlands Wirtschaftsminister verhaftet
In Russland ist Wirtschaftsminister Alexei Uljukajew festgenommen worden. Er ist der hochrangigste Politiker, der seit 1991 verhaftet wurde; ihm wird die Annahme von Schmiergeld vorgeworfen. Uljukajew war ein Vertreter des liberalen Flügels, betonen Kommentatoren und vermuten, dass hinter den Kulissen in Moskau ein erbitterter Machtkampf tobt.
Zeichen eines erbitterten Machtkampfs
Dass der Korruptionsverdacht nur ein Vorwand ist, glaubt La Stampa:
„In einem Land, in dem die Korruption nicht nur endemisch ist, sondern die Basis der Machtverteilung innerhalb der politischen Führungsklasse, wird man für Schmiergelder nur im Rahmen eines Machtkampfes verhaftet. Und dieser dürfte bislang ungekannte Ausmaße erreicht haben. … Im Kreml des Zaren sind seit jeher und in einem dauerhaften Kriegszustand zwei rivalisierende Fraktionen präsent: Reformer und Konservative, Tauben und Falken, Liberale und Nationalisten, Befürworter und Gegner der Zusammenarbeit mit dem Westen. Es war eine der vom Präsidenten bestimmten Spielregeln, dass keine der beiden Konfliktparteien die Oberhand gewinnt. So, wie es zum Ehrenkodex des Putinismus gehörte, treuen Anhängern die Schmach von Verhaftungen und Entlassungen zu ersparen. ... Im Fall Uljukajew, der zu den führenden Liberalen zählt, galten beide Regeln nicht mehr. Das Gleichgewicht ist aufgehoben, die Falken haben die Reihen geschlossen.“
Disziplinierungsmaßnahme des Kremls
Für die Neue Zürcher Zeitung beweist die Verhaftung die Allmacht des Kremls:
„Ob Uljukajew schuldig ist oder nicht, dürfte besonders für die Elite zweitrangig sein. Für sie ist es ein Fingerzeig, dass niemand, in welcher Position auch immer, vor Repression sicher ist. Das Vorgehen kann als Disziplinierungsmassnahme des Kremls gelesen werden, um konkurrierende Clans auf Kurs zu halten oder allzu gierige Akteure zu bändigen. Dass nun Uljukajew in Ungnade gefallen ist, reiht sich zudem in die Beobachtung ein, dass der liberalere Flügel im Machtapparat gegen die konservativen Hardliner immer stärker ins Hintertreffen gerät. Dies bedeutet aus politischer Sicht nicht Instabilität, sondern wohl eher die Stärkung des Kremlschen Machtsystems. Denn ernsthafte Friktionen oder Widerstand gegen das Vorgehen sind nicht zu erwarten. Noch ist der Kuchen für alle gross genug.“