EU-Kommission erzürnt London mit Brexit-Vorschlag
Die EU hat einen ersten Vertragsentwurf für den Brexit vorgelegt. Um die sensible Grenzfrage zu klären, schlägt Unterhändler Barnier vor, Nordirland könne notfalls in der Zollunion bleiben. Aus London konterte Regierungschefin May, kein britischer Premier könne diesen Vertrag unterzeichnen. Was ist von dem Vorstoß der EU zu halten?
Ziemlich frech
Dass die britische Premierministerin May in der Frage der Grenzlösung so empört reagierte, überrascht De Telegraaf nicht:
„Die Unterhändler auf beiden Seiten haben keine Ahnung, wie sie die Frage der nordirischen Grenze lösen sollen. Drei Monate nachdem eine vage Einigung über eine 'gemeinsame Regelung' akzeptiert wurde, sind die Unterhändler offensichtlich noch keinen Schritt weiter. ... Der Vorschlag des Brüsseler Chefunterhändlers Michel Barnier ist ziemlich frech. Er weiß schließlich, wie sensibel die Grenzfrage für die Briten ist. ... Niemand will eine neue harte Grenze zwischen Nordirland und Irland, aber eine Lösung gibt es auch nicht.“
Ein Kompromiss entsteht nicht von allein
The Irish Times lobt hingegen die Strategie der EU-Kommission:
„Sie zwingt die Regierung in London lediglich dazu, sich den Widersprüchlichkeiten der eigenen Position zu stellen und anzuerkennen, dass sie bisher nicht imstande war, dem eigenen Volk die Wahrheit zu sagen. Die Kommission versucht auch, den Druck zu erhöhen, weil es die Europäer zunehmend frustriert, dass sich die britische Regierung im Brexit-Prozess viel zu wenig einbringt. Bei dem vorgelegten Entwurf handelt es sich um eine Rückfalloption, falls alle anderen Bemühungen scheitern. Indem die EU London vor Augen führt, wie unattraktiv dieser Ausgang wäre, drängt sie die britische Regierung zu Kompromissen, die diese eingehen muss, wenn ein umfassendes Abkommen vereinbart werden soll.“
Scharlatane in London verschweigen die Wahrheit
Der Deutschlandfunk kann der Empörung aus London ebenfalls nichts abgewinnen:
„Die Kommission schützt die Interessen eines EU-Mitglieds, der Republik Irland. Das ist legitim. Die Kommission will das Karfreitagsabkommen, das den irischen Bürgerkrieg beendet hat, bewahren. Das ist verantwortungsvoll. Die Tory-Regierung hingegen hat nicht den Mut, den Briten reinen Wein einzuschenken. Man kann nur eines haben: Die vollständige Trennung von der EU - auch in Zoll- und Handelsfragen. Oder eine grenzfreie irische Insel. Den Briten diese Wahrheit zu verweigern, gehört zur Scharlatanerie, die sich in London regieren nennt.“