Europas Platz in einer umformatierten Welt

Die jüngste Abstimmung im Weltsicherheitsrat, die Rede des US-Vizepräsidenten J. D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz und die Entscheidung, einen Großteil der Entwicklungszusammenarbeit einzufrieren: Immer mehr einzelne Faktoren verdeutlichen das Ausmaß, mit dem die USA und Präsident Trump ihre internationale Politik umkrempeln. Kommentatoren reflektieren die Konsequenzen für Europa.

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Visão (PT) /

Zeit, sich zu trennen

Europa muss nun konsequent die Trennung von den USA vollziehen, fordert Visão:

„Seit der Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus sind Europa und die USA de facto getrennt. Die Unterschiede zwischen beiden Seiten werden immer deutlicher, man ist sich in fast allem uneinig und hat eigentlich kein Interesse mehr an einer weiteren Zusammenarbeit. Europa darf sich nicht länger mit dem Trugbild eines Bündnisses mit oder den Schutz durch die USA täuschen. ... Es ist an der Zeit, mit der Trennung zu beginnen – wie es der nächste deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz anmahnt, der davon ausgeht, dass seine 'absolute Priorität' darin besteht, die 'Unabhängigkeit von den USA' zu gewährleisten.“

hvg (HU) /

Schnell auf Machtvakuum reagieren

In manchen Teilen der Welt muss Europa die USA ersetzen, meint hvg:

„Trumps Amerika will nicht mehr besser und sympathischer sein als Russland oder China. Das Aufbauwerk vergangener Jahrzehnte ist in Gefahr. ... Wo sich die USA zurückziehen, drängen andere Mächte in das Vakuum. An den glücklichsten Orten wird es die EU sein – sofern sie sich binnen eines Jahres zusammenreißt und erkennt, dass sie sowohl USAID als auch CIA und das FBI ersetzen muss. Anderswo werden China und Russland eindringen und sich nehmen, was sie können. Wie das Amerika großmachen soll, weiß Trump selbst nicht.“

Corriere della Sera (IT) /

Not schweißt EU und UK wieder zusammen

Corriere della Sera spekuliert:

„Vergessen wir den Brexit. Das Vereinigte Königreich kommt zurück, und die EU rückt davon ab, London für die Trennung von 2016 blechen zu lassen. Natürlich wird es nicht um die Rückkehr Großbritanniens in die Paläste von Brüssel gehen. Und es wird auch keine plötzliche Innigkeit geben. Aber vielleicht einen solideren Pragmatismus, zu dem Donald Trump beide Seiten des Ärmelkanals zwingt. ... Die Wiederaufnahme einer starken Beziehung zwischen der EU und Großbritannien ist eine der ersten Auswirkungen der neuen transatlantischen Realität.“