Kommentar
Europa und Amerika: Schluss mit der Heuchelei

Die europäischen Länder haben es sich zu lange gemütlich gemacht unter der US-Schirmherrschaft. Das stimmt. Aber für die Amerikaner passte das eigentlich auch ganz gut. Zeit für mehr Ehrlichkeit.

Remo Hess, Brüssel 8 Kommentare
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Er versucht es mit Charme: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (links) bei US-Präsident Donald Trump.

Er versucht es mit Charme: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (links) bei US-Präsident Donald Trump.

Bild:
Ludovic Marin / Pool / EPA

Jahrzehntelang haben es sich Europäer in ihren Wohlfühlstaaten gemütlich gemacht. Aus sicherer Distanz schimpften sie auf die Schurken dieser Welt. Auf Forderungen der verbündeten USA, mehr für ihre Sicherheit zu tun, reagierten sie mit Lippenbekenntnissen. Wenn man die stärkste Militärmacht der Welt im Rücken hat, braucht man sich um die eigene Schwäche nicht zu sorgen.

«So geht Heuchelei!», heisst es. Mit einigem an Recht.

Allerdings kann man sich fragen, ob der Vorwurf der Heuchelei nicht selbst auch geheuchelt ist – zumindest teilweise. Denn war es nicht auch im Interesse der Amerikaner, dass ihnen das entmilitarisierte Europa als Juniorpartner stets gehorsam durch die Nachkriegsgeschichte gefolgt ist? Kam es ihnen nicht auch gelegen, dass in Europa zwar ein grosser Markt, aber nie ein wirklicher Machtfaktor entstand?

Europa hat sich lange vor dem eigenen Schicksal versteckt. Das hat seine Gründe. Namentlich bei Deutschland und seiner Geschichte. Dass es sich gerade ändert, ist gut. Mit Selbstermächtigung kommt Selbstbestimmung. Aber es ist auch tragisch, weil es auf Kosten der mächtigsten Freundschaft der Geschichte geht. Insgesamt wird die Welt unsicherer.

Und ob es den USA unter Präsident Donald Trump gefallen wird, wenn ein militärisch erstarktes Europa vermehrt mit eigener Stimme spricht? Natürlich nicht. Aber immerhin gibt es dann auch weniger Not zur Heuchelei – auf beiden Seiten.

8 Kommentare
Peter Baumgartner

So einfach lässt sich dieses Bündnis nicht erklären es sind 80Jahre komplizierte Geschichte. Es wäre auch heute noch sinnvoll gemeinsame Werte kostengünstig gemeinsam zu verteidigen. Leider haben sich die USA  von diesen Werten, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit, Gewaltenteilung, Individualismus und Toleranz verabschiedet. Ja es werden sogar dieenigen die es der US Regierunge gleich tun wollen in Europa unterstützt. Die Ukraine die genau für diese Werte kämpft wird auch noch mit einer pro russichen Haftung von den Amerikanern erpresst.  Das ist der Grund.  Das Bild von Europa das mal erwachsen werden soll entspringt einem typischen einfachen weltbild von Trump

Jürg Basler

Die USA sind seit ihrer Gründung ständig in Kriege verwickelt und haben dementsprechend Fähigkeiten entwickelt, um jederzeit an jedem Ort der Welt eingreifen zu können. Die nüchterne Erkenntnis ist, dass es 10 bis 15 Jahre dauern wird, bis Europa auch nur annähernd das Fähigkeitsniveau erreicht hat, um sich von den USA zu emanzipieren.