Dänemark erntet Kritik für schärfere Asylregeln
Kopenhagen hat das Asylrecht deutlich verschärft. Künftig kann die Polizei Asylsuchenden Wertgegenstände und Bargeld abnehmen. Der Familiennachzug wird erschwert, die Dauer von Aufenthaltsgenehmigungen verkürzt. Aus dem Ausland kommt Kritik - der mehrere dänische Kommentatoren widersprechen.
Flüchtlinge nur Spielball der Politik
Warum nun europaweit Grenzzäune errichtet und Asylgesetze verschärft werden, ist ganz leicht zu erklären, analysiert die linksliberale Wochenzeitung Le Jeudi:
„Nicht weil es zu viele Zuwanderer gibt. Sondern weil diese Migranten aus der Fremde kommen und diese Tatsache sämtliche Formen von Rassismus nährt. Es geht also gewissermaßen gar nicht um die Zuwanderer. Sie spielen gar keine Rolle. All dies passiert aus niederträchtigen innenpolitischen Gründen. Man wolle den Aasgeiern der extremen Rechten die Nahrung wegnehmen, heißt es. Denn für die extreme Rechte sind die Migranten ein Geschenk des Himmels. Womit sollte sie sonst ihr Wahlprogramm füllen? Man will ihnen also dieses Futter nehmen, frisst aber vorübergehend aus dem gleichen Napf.“
Abschreckung macht in Europa längst Schule
Der Regierung in Kopenhagen geht es bei der Verschärfung des Asylrechts in erster Linie um Abschreckung, meint die linke Tageszeitung taz:
„Die Symbolpolitik von Regierung und Parlamentsmehrheit zielt darauf ab, genau so verstanden zu werden: bloß nicht Gefahr laufen, den Spitzenplatz als Land mit der schärfsten Asylgesetzgebung in Zweifel ziehen zu lassen. Die 'Schmuckdebatte' lenkt darüber hinaus von den wirklich substanziellen Asylrechtsverschärfungen ab. Beispielsweise von den Erschwernissen bei der Familienzusammenführung, die gegen die Menschenrechtscharta verstoßen. Dänemark wurde zwar vor das Europäische Parlament zitiert, bekam aber dort von der Großen Koalition aus Konservativen und Sozialdemokraten kaum Kritik zu hören. Und das hat einen offensichtlichen Grund: Viel von dem, was Dänemark in den letzten Jahren vormachte, haben sich mittlerweile andere Regierungen zum Vorbild genommen.“
Konfiszierung von Werten
Eine gefährliche Tendenz, Grundwerte für politische Zustimmung zu opfern, erkennt mit Blick auf Dänemark die Tageszeitung Le Soir:
„Es ist verständlich, dass es ein Bedürfnis gibt, die derzeitige Leere durch wirklich effiziente Lösungen zu füllen, zumal die Bürger zunehmend ungeduldiger werden. Doch gibt es hier klare Grenzen und die wurden in Dänemark überschritten. Man kann Lösungen ausprobieren, aber man kann unsere Grundwerte und die moralischen Pfeiler des staatlichen Handelns niemals und um keinen Preis infrage stellen, nur um durch instinktgeleitetes Handeln öffentlichen Zuspruch zu erhalten. Wer die rassistischen Dämonen aus ihrer Schachtel springen lässt, bleibt nicht ungestraft. Und niemand scheint davor gefeit: Linke wie Rechte versuchen sich im symbolischen Gestikulieren und bedienen damit die Reflexe der extremen Rechten – doch letztlich ergebnislos, das haben wir feststellen müssen. ... Was hier konfisziert wird, sind unsere Werte.“
Dänemark wagt die offene Debatte
Als ungerecht empfindet die Tageszeitung Jyllands-Posten die scharfe internationale Kritik gegenüber Dänemark:
„Dänemark sollte Anerkennung dafür ernten, dass es die Debatte in hohem Maße öffentlich geführt hat; vor allem, wenn man sieht, was das an internationalem Renommee kostet. Der Zustrom der Flüchtlinge und Einwanderer hat gezeigt, wie zerbrechlich die europäische Zusammenarbeit ist und solange keine belastbaren Daten über die tatsächlichen Flüchtlingszahlen existieren [EU-Kommission und UNHCR nannten zuletzt unterschiedliche Zahlen], wird nicht nur die Debatte verdreht. Auch das Risiko politischer Fehlentscheidungen steigt damit an. ... Europas größte Herausforderung ist jetzt die Zusammenarbeit auf Basis verifizierbarer Wahrheiten - und nicht auf Mythen gestützt.“
Den Ruf nicht weiter ruinieren
Das Gesetz sollte nicht angenommen werden, damit Dänemark nicht länger als fremdenfeindliches böses Land dasteht, fordert die linksliberale Tageszeitung Politiken:
„Die Mehrheit sollte sich besinnen. Es ist keine Schande zu erkennen, dass eine Idee aufgegeben werden muss, weil sie eine Dimension erlangt hat, die nicht beabsichtigt war. Wir brauchen kein Sondergesetz. Flüchtlinge, die sich hier im Land aufhalten und staatliche Leistungen erhalten, werden denselben Regeln untergeordnet wie alle anderen. Dänemark weist weder Flüchtlinge ab, noch ist es fremden- oder islamfeindlich. Doch weil dieses Gesetz den Rest der Welt im Glauben lassen würde, dass wir dies sind, können wir damit leben, das Gesetz nun doch nicht anzunehmen. Es ist nicht verboten umzudenken und noch ist es möglich.“
Wir müssen uns nicht schämen
Zu Unrecht im Kreuzfeuer der Kritik steht Dänemark auch nach Auffassung der bürgerlichen Tageszeitung Berlingske:
„Wenn der Rauch sich gelegt hat, werden die meisten hoffentlich erkennen, dass Dänemark einer Schmutzkampagne ausgesetzt war und sich für nichts - außer für die ungeschickte Krisenbewältigung der Regierung - schämen muss. ... Dänemark zählt zu den Ländern, die, gemessen an der Einwohnerzahl, mit die meisten Flüchtlinge aufnimmt. Wir gehören zu den fünf Ländern der Welt, die 0,7 Prozent des BIP oder mehr für Entwicklungshilfe ausgeben. Dänemark schützt die Menschenrechte und hält die internationalen Konventionen ein. So ist das. Aber in der außergewöhnlichen Situation, in der Dänemark und Europa sich derzeit befinden, ist es legitim, sich mit Grenzkontrollen und nationalen Gesetzen gegen den überwältigenden Strom von Flüchtlingen und Migranten zu schützen.“