Was sind die Konsequenzen aus dem Fall Amri?
Nach dem Anschlag auf einem Berliner Weihnachtsmarkt ist in Deutschland eine Debatte um den Umgang mit abgelehnten Asylbewerbern und "Gefährdern" entbrannt. So sollen diese unter anderem leichter für längere Zeit in Abschiebehaft genommen werden können. Journalisten bewerten die von der Regierung geplanten Gesetzesverschärfungen.
Eingriff in Grundrechte kann sinnvoll sein
Die geplanten deutschen Gesetzesverschärfungen nach dem Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt verteidigt die Frankfurter Allgemeine Zeitung gegen Kritik:
„Natürlich sind Abschiebehaft, Ausreisegewahrsam, Residenzpflicht, elektronische Fußfessel und Videoüberwachung Eingriffe in Grundrechte. Die müssen - wie jedes staatliche Handeln - verhältnismäßig sein. So spricht nichts gegen einen neuen Haftgrund für diejenigen, von denen eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit Deutschlands ausgeht. ... Der zeitlich begrenzte Einsatz elektronischer Überwachung auf verschiedenen Feldern ist zudem das mildere Mittel gegenüber einer Ingewahrsamnahme. ... Aber totale Sicherheit erwartet der Bürger auch nicht. Er kann sie nicht erwarten. Wohl aber, dass die große Koalition, wie der Bundesinnenminister es formulierte, sich in schwierigen Zeiten imstande zeigt, 'vernünftige Ergebnisse' zu erzielen.“
Mehr Druck auf die Heimatländer aufbauen
Nach dem Anschlag reiste der Attentäter Anis Amri ungehindert durch Europa. Das zeigt, wie hilflos die EU-Länder sind, wenn es um die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber geht, kritisiert Jyllands-Posten:
„Die Möglichkeiten, die Abgewiesenen in Haft zu halten, sind begrenzt. ... Europas Politiker müssen hier eine Lösung finden. Und es reicht nicht aus, dass die Grenzagentur Frontex, wie sie am Dienstag mitteilte, eine Expertengruppe einsetzen will, die durch Europa reist und den EU-Ländern hilft, abgewiesene Asylbewerber zurückzusenden. Hier muss härter durchgegriffen werden. ... Die EU muss gegenüber den Heimatländern der abgewiesenen Asylbewerber deutlich mehr Druck machen, damit sie ihre Staatsbürger zurücknehmen. Und es muss klare und nachdrückliche Methoden geben, die dafür sorgen, dass mehr Leute nach Hause geschickt werden. Ein netter Brief, dass sie bitte das Land verlassen sollen, reicht nicht aus. Das ist naiv.“
Schweden in Sachen Abschiebungen ebenso ratlos
Auch Svenska Dagbladet beobachtet die deutsche Debatte mit großem Interesse, sieht die Zeitung doch ähnliche Probleme wie im eigenen Land:
„Schweden und Deutschland ähneln sich immer mehr, als wären sie jeweils des anderen Spiegelbild. Wir haben uns für den gleichen Weg in der Flüchtlingsfrage entschieden: Zunächst das große Engagement und das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, dann die abrupte Wende und jetzt konzentrieren wir uns auf die Verringerung der Zahl der Menschen, die ins Land kommen. ... Ähnlich wie in Deutschland muss der Staat auch hierzulande sicher sein, dass eine Abschiebung möglich ist, wenn dazu eine Person in Haft genommen wird. Jemanden einzusperren, ist eine große Einschränkung der Freiheit. Gleichzeitig ist es problematisch, eine Abschiebung nicht zu vollziehen. Wenn die Politiker nicht die deutsche Debatte und die deutschen Vorschläge wollen, dann sollten sie die Frage der Strafbarkeit [des Nicht-Ausreisens trotz der entsprechenden Aufforderung] dringend untersuchen.“