Erhält überlastetes Italien Hilfe?
Paris und Berlin haben Rom in der Flüchtlingskrise ihre "entschlossene Solidarität" zugesichert. Sie wollen sich bemühen, ihre Zusagen der Flüchtlingsaufnahme einzuhalten, teilte Frankreichs Innenministerium nach einem Dreiergipfel am Sonntag mit. Außerdem stellten sie einen "Verhaltenskodex" für Hilfsorganisationen auf. Die europäische Presse hält die Beschlüsse nur für heiße Luft.
Rom weiter allein gelassen
Die Beschlüsse klingen nach viel, ändern aber wenig, klagt die taz:
„Schon jetzt haben die meisten NGOs ihre Bilanzen offengelegt, schon jetzt operieren sie koordiniert von Italiens Küstenwache. Kaum etwas wird sich auch bei der Umverteilung der Flüchtlinge ändern. ... Bliebe noch Italiens Drohung, bei einem Misserfolg der Beschlüsse vom Sonntag seine Häfen für die NGO-Schiffe dicht zu machen. Doch auch diese Drohung lässt sich kaum durchhalten. Was, wenn ein Schiff mit Hunderten Flüchtlingen abgewiesen, was, wenn es zur Odyssee durchs Mittelmeer gezwungen würde? Sofort stünde Italien am Pranger. So darf sich die Regierung in Rom nur über eines freuen: Wieder einmal, wie schon so oft in den letzten Jahren, erhielt sie schöne Solidaritätsbekundungen, wieder einmal auch wird sie faktisch alleingelassen.“
Wirtschaftsflüchtlinge schnell abschieben
Italiens Flüchtlingskrise verlangt andere Antworten als die vorhergehende auf dem Balkan, mahnt Die Presse:
„Anders als vor zwei Jahren, als vorrangig Kriegsflüchtlinge aus Syrien, dem Irak und Afghanistan über die Türkei nach Europa gekommen sind, handelt es sich heute im Mittelmeer hauptsächlich um Wirtschaftsflüchtlinge aus Westafrika. ... So trist die wirtschaftlichen Aussichten für junge Senegalesen, Gambier oder Nigerianer auch sein mögen: Ein Asylgrund ist das nicht. ... Heute geht es ... nicht darum, wie man diese Menschen innerhalb der Union verteilt, ihnen materielle Ersthilfe, rasche Rechtsverfahren zur Legalisierung des Aufenthalts und einen Weg zur Integration in ihre neue europäische Heimat gewährt. Die Aufgabe liegt nun darin, sie rasch wieder in ihre Heimatstaaten zurückzuführen und davon abzubringen, einen erneuten irregulären Anlauf auf das vermeintliche Paradies Europa zu starten.“
EU hält borniert an Regeln fest
Dass die EU noch immer am Dubliner Abkommen festhält, kritisiert La Repubblica:
„Schon der Flüchtlingsstrom auf der Balkanroute hatte das Abkommen infrage gestellt und Griechenland einem unhaltbaren Druck ausgesetzt. Damals blieb es der EU erspart, sich der Realität zu stellen, dank dem unglückseligen Deal von Angela Merkel mit der Erdoğan-Türkei. Das Europa der Menschenrechte erlitt einen schweren Schlag, doch die Regeln von Dublin waren gerettet. Die Explosion auf der Libyen-Italien-Route wirft das Problem nun erneut auf. Mit dramatischen Zahlen, die die Unfähigkeit der EU offenbaren, sich von Regeln zu verabschieden, die der Realität nicht gerecht werden. … Hinter dem Festhalten an Regeln, die Fakten nicht standhalten, steckt die bornierte Anmaßung, dass die Realität sich den Regeln anzupassen hat, nicht umgekehrt.“