Streit um die EU-Flüchtlingspolitik in Libyen
Libyens Küstenwache hat ihre Einsätze im Mittelmeer deutlich verstärkt - und verbietet es NGOs, in libyschen Gewässern aktiv zu werden. Italien und die EU unterstützen sie dabei technisch und logistisch. Während in Italien zuletzt deutlich weniger Migranten ankommen, üben NGOs und linke Politiker scharfe Kritik an dieser Politik. Wie sollte Europa sich verhalten?
Die Zahlen sprechen für die neue Strategie
Für Corriere della Sera spricht einiges dafür, dass die neue Flüchtlingspolitik funktioniert:
„Im August sind bisher 2.859 Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Italien gekommen, das sind 72 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. ... Die Nachricht, dass das Umsteigen von den Booten der Schleuser auf die Rettungsschiffe der NGOs nicht mehr ganz so problemlos verläuft wie bisher, hat offenbar eine abschreckende Wirkung gehabt. ... Über 5.000 Flüchtlinge [in den Lagern in Libyen] haben entschieden, in ihre Heimatländer zurückzukehren, auch dank finanzieller Anreize. ... Europa hat in die Förderung der freiwilligen Rückkehr bereits 90 Millionen investiert. ... Weitere Gelder sind in Aussicht gestellt. Ob der Plan aufgeht, wird man sehen. Fest steht, dass im Mittelmeer nicht die humanitäre Katastrophe eingetroffen ist, die viele vorhergesehen haben.“
Europäer dürfen nicht zu Komplizen werden
Große Bedenken hinsichtlich eines Flüchtlingsabkommens mit Libyen hat Le Monde:
„Dass sich der Zustrom nach Europa verlangsamt hat, bedeutet gegenwärtig nicht, dass weniger Personen illegal auswandern wollen. Die Erklärung ist, dass sie offenbar in Libyen unter meist unmenschlichen Bedingungen aufgehalten werden. ... Kann man mit der Bewältigung der Flüchtlingsströme ein Land betrauen, das völlig am Ende ist, in dem Migranten der Sklaverei und sexueller Gewalt in großem Ausmaß ausgeliefert sind und in dem Milizen zum Teil Komplizen der Schlepper sind? Darin besteht das große Dilemma der Europäer. Mit Libyen zusammenarbeiten? Ja. Dabei muss man die Augen jedoch ganz weit offen halten und verlangen, vor Ort die Umsetzung der zugesprochenen Hilfsleistungen kontrollieren zu dürfen - damit wir nicht selbst zu Komplizen werden.“
Italien ist auf dem richtigen Weg
Die italienischen Maßnahmen haben Wirkung gezeigt, lobt De Volkskrant, aber warnt auch vor den Folgen der derzeitigen Flüchtlingspolitik:
„Selbst wenn es den Europäern gelingt, die Zahl der Asylsuchenden aus Afrika zu verringern, dürfen sie ihre Augen vor den Folgen ihrer Politik in Afrika nicht verschließen. Europa kann Asylsuchende nicht einfach so in Libyen abladen. Die EU hofft, durch eine Reihe von Vereinbarungen mit afrikanischen Ländern die Migration nach Europa besser in den Griff zu bekommen. Das ist schwierig und komplex. Aber der Ansatz ist richtig, dass die Migrationsfrage ein strukturelles und umfassendes Vorgehen erfordert. Der Migrationsdruck aus Afrika lässt sich nicht einfach mit Bootspatrouillen eindämmen. ... Aber eine seriöse Grenzüberwachung der Küstenländer kann die Migrationsströme tatsächlich beeinflussen. ... Das ist eine nützliche und praktische Lektion aus Italien.“