Migration: Arbeiten EU-Staaten nun zusammen?
Beim Treffen auf Malta zu Beginn der Woche haben sich die Innenminister von Frankreich, Deutschland, Italien und Malta auf eine Übergangslösung zur Verteilung von aus dem Mittelmeer geretteten Migranten geeinigt. Kommentatoren diskutieren, ob dies ein erster Hoffnungsschimmer für ein gemeinsames Vorgehen in der Migrationspolitik ist.
Immerhin ein bisschen Hoffnung
Der auf Malta angekündigte Lösungsschritt könnte ein erstes ermutigendes Zeichen sein, findet Delo:
„Die Beschlüsse von Malta sind noch immer in einen Schleier der Geheimhaltung gehüllt, denn die Innenminister aller EU-Mitgliedstaaten müssen sich mit ihnen vertraut machen. Die Tatsache, dass Frankreich und Deutschland als stärkste Mitglieder die Lösung unterstützen, sollte aber ein Garant dafür sein, dass Veränderungen möglich sind. Auch die Zufriedenheit Italiens und Maltas scheint ein Fortschritt zu sein. ... Unter den aktuellen Umständen ist bereits die Erkenntnis der Mitgliedstaaten viel wert, dass Migration ein gesamteuropäisches Thema bleibt und dass ein neuer, pragmatischerer Start besser ist, als auf der Stelle zu treten.“
Keine Spur von europäischer Solidarität
Dass sich die meisten EU-Staaten nicht an der Seenotrettung und Umverteilung von Flüchtlingen beteiligen, empört The Malta Independent:
„Es scheint, dass dieses Abkommen noch immer von vielen EU-Staaten abhängig sein wird, von denen die meisten wahrscheinlich wegschauen werden. Kurz gesagt, es wird nicht funktionieren, wenn sich nicht die gesamte EU dieser Herausforderung stellt und sich nicht alle Länder beteiligen. Doch genau das ist angesichts der jüngsten Entwicklungen unwahrscheinlich. Und so wird es vermutlich trotz all der Gespräche weiterhin so sein, dass Malta, Italien und Rettungsorganisationen Leben auf See retten, aber bei der Umsiedlung von Flüchtlingen wenig Hilfe erhalten. Wir hoffen inständig, dass dies nicht der Fall sein wird und dass Europa endlich beginnt, solidarisch zu handeln, wie Politiker das so gerne predigen.“
Minimallösung ist besser als nichts
Was nun auf Malta wohl beschlossen wird, ist eine Minimalvariante, kommentiert der Tages-Anzeiger:
„Nicht der grosse Wurf, aber besser als nichts. Die 'kleine Verteilung' formalisiert und beschleunigt, was bisher schon geschah, aber unter Ächzen, Stöhnen und Herumeiern. Sie erspart Rettern und Geretteten die schreckliche Zeit des Wartens und der Ungewissheit. Das ändert nichts daran, dass die EU Machthabern und Milizenführern im gescheiterten Staat Libyen faktisch die Kontrolle über die zentrale Mittelmeerroute übertragen hat. Und es die europäische Wertegemeinschaft in Kauf nimmt, dass Migranten in libyschen Lagern festsitzen, die das deutsche Aussenministerium mit KZ verglichen hat.“
Nur ein Tropfen auf den heißen Stein
Die anvisierte Lösung greift viel zu kurz, kritisiert The Daily Telegraph:
„Die EU wird das Abkommen zweifelsohne als Erfolg europäischer Zusammenarbeit feiern. Doch wenn die Übereinkunft durch eines besticht, dann ist es Mangel an Ehrgeiz. Derzeit geht es um die Umverteilung von 10.000 Flüchtlingen - ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn man das mit der Menge an Menschen vergleicht, die weiterhin an Italiens Küsten eintreffen. Darüber hinaus basiert das Abkommen auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Damit rückt man von früheren, umstrittenen Plänen ab, allen EU-Staaten Flüchtlingsquoten aufzuzwingen. ... Die EU macht sich zwar weiter für ihre Ideologie der offenen Grenzen stark, doch im Stillen hat sie sich mit der Tatsache abgefunden, dass offene Grenzen zwischen ihren Mitgliedstaaten politisch nicht machbar sind.“
Umgang mit Wirtschaftsmigranten noch ungeklärt
Das Hauptproblem bleibt die Unterscheidung zwischen Kriegsflüchtlingen und Wirtschaftsmigranten, wirft La Repubblica ein:
„Der Schlüsselbegriff lautet 'Asylbewerber'. Italien und Malta wollen die Gewissheit, dass damit alle gemeint sind, die Asyl beantragen, auch Wirtschaftsmigranten. Um den neu entdeckten Europäismus Italiens zu begrüßen, könnten die Partner bereit sein, diese Interpretation zu akzeptieren. Macron selbst - zunächst skeptisch - soll Premier Conte diesbezüglich Garantien gegeben haben. Doch besteht das Risiko, dass die Partner im entscheidenden Moment doch nur diejenigen aufzunehmen gewillt sind, die eine große Chance auf Asyl haben (z.B. Syrer und Eritreer). ... Wenn dies der Fall wäre, würden die umzuverteilenden Migranten von 90 Prozent der Gesamtzahl auf weniger als 10 Prozent sinken.“
Rückkehr-Regelung bleibt die Achillesferse
Was es darüber hinaus für einen Durchbruch in der europäischen Migrationspolitik braucht, glaubt NRC Handelsblad zu wissen:
„Die EU-Staaten wissen sehr genau, was sie Ländern wie Gambia im Tausch für die Rücknahme von illegal eingewanderten Migranten anbieten müssen. Haufenweise Vorschläge der Europäischen Kommission zählen das auf: legale Migrations-Kanäle wie Studienplätze und Arbeitsvisa in Europa, dazu Einrichtungen, um zurück geschickte Illegale im eigenen Land auszubilden. Deutsche und französische Politiker wissen, dass die Bürger vor allem dann die Aufnahme von Flüchtlingen akzeptieren, wenn es eine effektive Rückkehr-Politik gibt. Wenn es dieser EU-Gruppe gelingt, das zu regeln, dann werden mehr Länder mitmachen und Europa bekommt endlich die Migration in den Griff. Wenn nicht, dann weiß man in den europäischen Hauptstädten, was die Folge sein kann: Ein Comeback von Matteo Salvini.“