Toleriert Israels Regierung Siedlergewalt?
Im palästinensischen Huwara haben israelische Siedler Dutzende Häuser und Autos in Brand gesteckt, Hunderte Menschen wurden verletzt. Zuvor waren in dem Ort zwei Israelis von mutmaßlich palästinensischen Attentätern erschossen worden. Der rechtsreligiöse Finanzminister Smotrich und weitere Vertreter der regierenden Koalition begrüßten die Reaktion der Siedler. Eine solche Regierung bereitet Kommentatoren Sorge.
Ein neuer Tiefpunkt
Die Eskalation der Gewalt zeigt, wie brandgefährlich die Situation in Israel gerade ist, meint The Guardian:
„Gewalt durch Siedler ist nichts Neues. Und auch das Versagen der Armee, diese Gewalt einzudämmen, ist es nicht. Aber zunehmend erscheint dieses Versagen nicht nur weit verbreitet, sondern systematisch. Die Lage hatte sich schon verschlechtert, bevor die extremistische Regierung an die Macht kam. Aber das Ausmaß und die Heftigkeit dieses Angriffs und der Fakt, dass er von Koalitionsmitgliedern angeheizt wurde, machen ihn beispiellos. ... Huwara ist der beängstigende Beweis – falls dieser nötig war – dass man nicht zulassen darf, dass diese Regierung noch mehr Schaden anrichtet.“
Ungebremste Hardliner
De Standaard fürchtet eine weitere Ausweitung von Siedlungsbau und Siedlergewalt:
„Die Regierung Netanjahu tut alles, um über neue Gesetze die Gegenmacht des Rechtsstaates auszuhöhlen, damit die Koalition durch nichts mehr daran gehindert wird, mehr als 10.000 neue illegale Siedlungen zu bauen, und gewalttätige Siedler sich keine Sorgen über Strafen machen müssen. Wenn dieser Plan gelingt, droht die Welt mit einem schrecklichen Israel konfrontiert zu werden, wie es unlängst der bekannte Autor Yuval Noah Harari beschrieb: ein Staat mit einem enormen militärischen und atomaren Apparat in den Händen von extremistischen Hardlinern, der die palästinensische Gemeinschaft noch ungebremster und brutaler unterdrücken kann als bisher.“
Weg mit dieser Katastrophen-Koalition!
Esther Mucznik, ehemalige Vizepräsidentin der jüdischen Gemeinde in Lissabon, hofft in Público auf Proteste von Juden aus der ganzen Welt gegen die aktuelle israelische Regierung:
„Ein großer Teil von ihnen hat Familienangehörige dort und sorgt sich um das Land, in dem das jüdische Volk geboren wurde und in dem es seine geistige, religiöse und nationale Identität entwickelt hat. ... Es ist eine Koalition, die den Zusammenhalt der israelischen Gesellschaft und die Grundlagen ihrer demokratischen Identität zerstören könnte. ... Ich glaube, dass das israelische Volk mit der Unterstützung jüdischer und nichtjüdischer Demokraten auf der ganzen Welt die katastrophale Koalition von Herrn Netanjahu letztendlich unwirksam machen wird.“
Opposition konstruktiv unterstützen
Dass Israels Regierung offenbar nicht um Deeskalation bemüht ist, wundert die taz nicht:
„Genau wie alle anderen rechten, radikalen Regierungen braucht sie Konflikte und Feinde von außen. Zumal der in drei Korruptionsfällen angeklagte Netanjahu durch die Justizreform einer möglichen Gefängnisstrafe entgehen könnte. ... Europa und ebenso die USA sollten sehen, dass sie mit [der Opposition] ins Gespräch kommen und jede Unterstützung - jenseits absurder Boykottfantasien - anbieten, die möglich ist. Denn ein starkes, demokratisches Israel in einer ansonsten instabilen Region kann nur in ihrem Interesse sein.“