Trump vor Gericht: Was folgt daraus?
Als erster Ex-Präsident der USA durchläuft Donald Trump ein Strafverfahren. Die New Yorker Justiz hat ihn wegen Vertuschung und 34-facher Fälschung von Geschäftsunterlagen angeklagt. Dabei geht es auch um möglicherweise illegale Wahlkampffinanzierung im Rahmen einer Schweigegeldzahlung an Erotik-Star Stormy Daniels. Ob die Klage am Ende vor allem dem Angeklagten nützt, beschäftigt die Presse.
Kopfschmerzen bei den Republikanern
Es gibt auch einige Parteikollegen, die nicht gerade glücklich darüber sind, Trump wieder auf dem politischen Schlachtfeld zu sehen, beobachtet Hvg:
„Trump hat bereits bei seinem Wahlkampfauftakt in Waco, Texas bewiesen, dass er wieder auf dem Kriegspfad und in seinem Element ist und nicht nur das Rampenlicht, sondern auch die Opferrolle genießt. Das ist die denkbar schlechteste Nachricht für alle Republikaner, die versuchen, ihn loszuwerden ... Ein noch größeres Problem für die Republikaner ist, dass eine einstweilen stabile Mehrheit der Amerikaner - nach all den Erfahrungen, die sie bisher gemacht haben - Umfragen zufolge Trump nicht für weitere vier Jahre im Weißen Haus sehen möchte.“
Die wichtigen Anklagen kommen erst noch
Die US-Medien hängen die aktuellen Vorwürfe gegen Trump an eine zu große Glocke, kritisiert Financial Times:
„Für Donald Trump würde es um einiges schwieriger werden, wenn er wegen schwerer Verbrechen angeklagt würde - wie der Behinderung des Kongresses, der Zurückhaltung streng geheimer Dokumente oder wegen des Versuchs, eine Wahl zu untergraben. Es besteht Konsens, dass eine oder mehrere dieser Untersuchungen zu Anklagen führen werden. Weil die vergleichsweise triviale aktuelle Anklage Trumps so hochgespielt wurde, besteht das Risiko, dass die Medien bei möglichen späteren Anklagen nicht noch dicker werden auftragen können. Denn wenn alles eine große Empörung ist, ist letztlich nichts wirklich empörend.“
Nicht einmal eine Verurteilung kann ihn stoppen
Trump stürzt die USA mit seinem Gebaren in eine tiefe Krise, klagt El País:
„Seine Anreise, die Parade vom Trump Tower und schließlich sein Auftritt vor dem Richter sind sein zirkusartiger, sorgfältig inszenierter Wahlkampfauftritt, mit dem er Aufmerksamkeit erregt, parteipolitische Kontroversen entfacht und den Wahlkampf so radikalisiert, wie nur er es kann. ... Nicht einmal eine Verurteilung kann seine Kandidatur im November 2024 verhindern. ... Die Befugnisse des Präsidenten würden sich ändern: Er stünde faktisch über dem Gesetz und der Verfassung. ... Nicht einmal im Falle einer weiteren Niederlage wäre die Verfassungskrise gelöst, die in Trumps langem Marsch steckt.“
Opferstatus ist schlechte Wahlstrategie
Trump wird die Anklage gegen ihn in seinem Wahlkampf weniger nützen, als er hofft, meint De Standaard:
„Der Opferstatus ist eine schwache Wahlstrategie, selbst wenn sie mit viel Lärm einhergeht. Ein viel wichtigerer - allerdings auch langweiligerer - Faktor sind die wirtschaftlichen Ergebnisse, die der scheidende Präsident Joe Biden 2024 vorlegen könnte. Darüber herrscht vorsichtiger Optimismus: Die niedrige Arbeitslosigkeit von 3,4 Prozent wird durch eine befristete Inflation dieses Jahr zwar leicht zunehmen, aber in einem Jahr müssten Bidens Milliarden-Investitionen in Klima und Technologie zu einer Beschleunigung führen. Das ist die beste Art für Biden, um auf die Trump-Prozesse zu reagieren: Schweigen und hart arbeiten.“
Selektive Justiz aus politischen Motiven
Radio Kommersant sieht die USA als Rechtsstaat auf die schiefe Bahn geraten:
„Lange Zeit war man der Meinung, dass selektive Justiz ein Markenzeichen autoritärer Regime ist und dass die altbekannte Regel 'den Freunden alles, den Feinden das Gesetz' anderswo gilt, aber nicht in Demokratien, deren Vorreiter bekanntlich die USA sind. Die gerichtliche Verfolgung des Ex-Präsidenten Donald Trump zwingt zu einer Neubewertung. Alles geschieht zu plump, vorsätzlich, demonstrativ und unfein. Das Ziel ist es, den für das US-Establishment gefährlichsten Kandidaten bei den Präsidentschaftswahlen 2024 aus dem Sattel zu werfen, zu destabilisieren, zu schwächen und zu diskreditieren. Prompt jetzt, wenn der Wahlkampf faktisch beginnt, kommt die Justiz ins Spiel.“
Ein Fehler
Dass dieses Strafverfahren Trump wirklich schaden und Unterstützer kosten wird, ist alles andere als sicher, mahnt The Economist:
„Wer glaubt, dass Trump nun endlich seine wohl verdiente Strafe erhält, dürfte bitter enttäuscht werden. Wenn Trump strafrechtlich verfolgt wird, sollte es für etwas sein, das nicht als reine Formsache abgetan werden kann und wo das Gesetz klarer ist. Dass der Staatsanwalt von Manhattan nun diesen Fall vor Gericht bringt, könnte ein Fehler sein.“
Auf dem aufsteigenden Ast
Trump profitiert jetzt schon, beobachtet Les Echos:
„Es gab keinen besseren Weg, Trump wieder in den Sattel zu heben. Während eine solche Anklage in anderen Ländern den Tod des Präsidentschaftskandidaten besiegeln würde, schafft die Anklage Trump die ideale Ausgangslage zur Rückeroberung des Weißen Hauses. Sie gibt ihm eine Rolle zurück, in der er brilliert: die des Opfers, auf das sich die Richter, die Medien und ganz allgemein das 'System' stürzen. Im Laufe des Monats, in dem er sich über seine juristischen Probleme beklagt hat, hat er laut einer aktuellen Umfrage bei den republikanischen Wählern acht Prozentpunkte zurückgewonnen. … Donald Trump versprach den 'totalen Krieg', 'Tod' und 'Zerstörung', falls er angeklagt werden sollte. Hier sind wir nun.“
Vorwürfe müssen absolut wasserdicht sein
Die Kleine Zeitung mahnt:
„Dieses Verfahren gegen den Ex-Präsidenten wird weiter zur Spaltung der ohnehin zerklüfteten Politlandschaft beitragen. Die Gräben werden tiefer werden, die Auseinandersetzungen der verschiedenen Gesellschaftsschichten wütender. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn bei der Anklage auch nur im kleinsten Punkt Zweifel, Schlupflöcher oder gar Fehler auftauchen. Die Vorwürfe müssen absolut wasserdicht sein. Ansonsten wird das Land wohl die Spaltung endgültig vollziehen und Donald Trump als Märtyrer aus diesem Prozess hervorgehen.“
Wirklich gefährlich wäre Tatenlosigkeit
Der Rechtsweg muss beschritten werden, auch wenn die Anklage Trump zunächst politisch nützen kann, betont Dagens Nyheter:
„Er wird ständig im Blickpunkt stehen. Das ist ein beunruhigender Gedanke, aber es ist nicht zu ändern. Man kann die Rolle der Parteien bei der Besetzung wichtiger Posten im amerikanischen Rechtssystem in Frage stellen, man kann vor den potenziell schicksalhaften politischen Konsequenzen warnen und zu bedenken geben, dass die Anklage auf schwachen Füßen zu stehen scheint. Aber was wäre die Alternative? Trump nicht anzuklagen, weil er politisch mächtig ist? Dieser Gedanke sollte einem noch mehr Angst einjagen. Die Gerechtigkeit muss ihren Lauf nehmen.“