Griechische Parlamentswahl: Wer macht das Rennen?
Am Sonntag wählen die Griechen ein neues Parlament. Die konservative Regierungspartei Nea Dimokratia von Premier Mitsotakis musste nach dem Zugunglück im März zwar Verluste in den Umfragen hinnehmen, liegt aber nach wie vor vorn. Den zweiten Platz hält der frühere Premier Alexis Tsipras von der linken Syriza.
Wer grün denkt, hat keine Option
Das rot-grüne Bündnis Prasino+Mov wurde aus formalen Gründen nicht zur Wahl zugelassen. Die Kolumnistin Xenia Kounalaki beklagt in Kathimerini das Fehlen grüner Positionen auf den Wahllisten:
„Die Abwesenheit einer ökologischen Partei bei den Wahlen am Sonntag wäre gerechtfertigt, wenn die Umwelt auf der Tagesordnung der anderen Parteien gestanden und eine Ein-Themen-Gruppierung unnötig gemacht hätte. ... Doch im Fernsehduell [mit den Vorsitzenden der sechs Parlamentsparteien] wurden Umweltfragen von den teilnehmenden Politikern und Journalisten kaum angesprochen. Sie wurden vor allem aus Pflichtgefühl in die Parteiprogramme aufgenommen, ebenso wie Feminismus und Inklusion, Begriffe, die in der öffentlichen Debatte ohne sinnvollen Inhalt bleiben.“
Jungwähler sind entscheidend
Die jungen Griechen können und sollten die Umfragen widerlegen, hofft die linke Efimerida ton Syntakton:
„Die 432.000 Erstwähler bis 21 Jahre und die 1,4 Millionen jungen Menschen bis 29 Jahre, die in großer Unsicherheit leben, haben allen Grund, sich Sorgen zu machen. Sie haben vor allem deshalb Grund zur Sorge, weil ihre wichtigsten Anliegen in der Wahldebatte so gut wie nicht vorkamen. Dafür ist größtenteils die scheidende Regierung verantwortlich. ... Die jungen Leute sind nach wie vor wütend über das Verbrechen von Tempi. ... Neue Wähler, die keinen Festnetzanschluss haben und nicht von den altmodischen Umfragen erfasst werden, können am Sonntag alles ändern.“
Ohne Selbstkritik
Das linke Webportal Imerodromos hat für die Auftritte der Vorsitzenden der führenden Parteien, Mitsotakis und Tsipras, nur bitteren Spott übrig:
„Der Chef von Nea Dimokratia vermied es, sich selbst einzuschätzen und zu bewerten, trotz seiner 'hervorragenden Leistungen'. Er hatte kein Problem damit, stolz auf seine Regierungsarbeit zu sein. ... Gleichzeitig verteidigte er die Entscheidungen der Regierung, die das Volk mit unbarmherzig hohen Preisen, Lohnkürzungen, einer zerrütteten öffentlichen Gesundheitsfürsorge und einem öffentlichen Bildungswesen, das ständig kommerzialisiert und privatisiert wird, konfrontiert hat. Mit einer Demokratie, die Abhören und Spitzel zu ihrem Markenzeichen gemacht hat. Der Vorsitzende von Syriza hat seinerseits alles 'vergessen', als wäre er nicht der Premier des dritten Memorandums.“
Mitsotakis als Hüter der Stabilität
Das regierungsnahe Webportal Liberal schreibt zum Fernsehduell:
„Kyriakos Mitsotakis trat als Hüter und Garant der Stabilität auf, indem er implizit Zusagen für mutigere und schnellere Reformschritte in den Bereichen Wirtschaft, Staat, Justiz, Gesundheit, Bildung und Umweltschutz machte. Mit der Umsetzung der Wahlversprechen für 2019 als Garantie für Glaubwürdigkeit wollte der Vorsitzende der Nea Dimokratia die Überzeugung eines bedeutenden Teils der Wähler stärken, dass er einen Plan hat und seine Zusagen mit Mäßigung und Wissen umsetzt.“
Es droht ein autokratisches Regime à la Orbán
Mitsotakis muss nicht nur verlieren, sondern auch vor Gericht landen, findet die linke Avgi:
„Die Finsternis, die Omertà [mafiöse Verschwiegenheit], die Straflosigkeit und die Umwandlung der griechischen Republik in ein autoritäres Regime à la Orbán werden weitergehen, wenn Nea Dimokratia bei den Wahlen am 21. Mai auch nur eine Stimme gewinnt. Ein demokratischer Wandel ist unabdingbar. Die Regierung Mitsotakis trägt den moralischen und politischen Makel der illegalen Überwachung und der Vergewaltigung der Demokratie durch den Versuch, die unabhängigen Behörden und die Justiz zu kontrollieren. Der scheidende Premier selbst hat sich dafür entschieden, das Land in einen Spionagestaat zu verwandeln. ... Die angeprangerten Handlungen müssen strafrechtliche Konsequenzen haben.“
Syriza fehlt der programmatische Diskurs
Protagon kritisiert die größte Oppositionspartei:
„Die Partei hat ihre gesamte Strategie auf Mitsotakis ausgerichtet, aber die Umfragewerte erteilen dem eine deutliche Abfuhr. Indem sie diese Linie wählte, ließ sie den Rest beiseite, insbesondere den kühlen programmatischen Diskurs. Tsipras selbst versucht immer noch, auf zwei Hochzeiten zu tanzen: Einerseits tritt er als gemäßigter Politiker auf, der gereift ist und aus seinen Fehlern gelernt hat. Andererseits behält er scharfe Elemente bei, die an die alte Syriza erinnern. Er hat noch einen weiteren Fehler gemacht: Wenn man den Gegner als Dämon darstellt, der für alles verantwortlich ist, dann nagt man an der eigenen Glaubwürdigkeit und macht das programmatische Defizit deutlich.“