Premier dank Separatisten: Wie teuer ist Sánchez' Sieg?
Spaniens Premierminister heißt weiter Pedro Sánchez. 179 von 350 Abgeordneten stimmten am Donnerstag für eine Regierung von Sánchez' Sozialisten (PSOE) und der linken Sumar. Die knappe Mehrheit kam auch dank der Zusicherung einer Amnestie für katalanische Separatisten zustande. Dagegen hatten die Opposition und Hunderttausende Spanier protestiert. Europas Presse ist in ihrer Bewertung gespalten.
Ängste nehmen und Risse kitten
Sánchez muss nun die aufgerissenen Wunden heilen, rät Chefredakteur Jordi Juan in La Vanguardia:
„Der Preis, den er für seine Wiederwahl gezahlt hat, ist sehr hoch: Er hat das Unbehagen und die Unzufriedenheit vieler Bürger auf sich gezogen, die den Pakt mit den katalanischen Separatisten ablehnen. Die neue Herausforderung, der er sich ab heute stellen muss, um an der Macht zu bleiben, besteht nicht nur darin, die Meinungsverschiedenheiten zu schlichten, die innerhalb des ihn unterstützenden Parteien-Amalgams bestehen. Ebenso wichtig ist es, das in Katalonien entstandene Klima des Zusammenlebens zu stärken und all jene zu beruhigen, die ein Wiederaufflammen des katalanischen Unabhängigkeitskampfes befürchten.“
Gegenleistungen könnten Regierung zerreißen
Sánchez' Mehrheit steht auf tönernen Füßen, warnt ABC:
„Sánchez hat bewiesen, dass er bereit ist, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um sein politisches Überleben zu sichern. ... Allerdings ist nicht auszuschließen, dass einige seiner Bündnispartner schon bald Gegenleistungen einfordern, die miteinander unvereinbar sind. Sánchez ist seine Wahl zum Premier gelungen. Die eigentliche Herausforderung beginnt jetzt mit einer Legislaturperiode, die mit Sicherheit feindselig sein wird und in der nichts sicher ist.“
Große Koalition wäre besser und stabiler
Eine Regierung aus Sozialisten (PSOE) und Konservativen (PP) hätte sich The Spectator gewünscht:
„Mehr als zwei Drittel der Wähler stimmten für eine dieser beiden Parteien. Bei der Parlamentswahl im Juli gewannen sie zusammen 258 der 350 Sitze. Eine solche Koalition wäre in der Lage gewesen, eine stabile, zentristische Regierung zu bilden, die für die gemäßigte Mehrheit Spaniens steht. Die radikale linke Partei Sumar und die Separatisten wären bloße Zuschauer geblieben, anstatt einen vergleichsweise viel zu großen Einfluss auszuüben. Weil die Spanier ungern ihre Stimme verschwenden, hätte das dazu führen können, dass bei künftigen Wahlen die Unterstützung für die Extremisten und Separatisten abnimmt.“
Gute Nachricht für Europa
Der Standard begrüßt, dass in Spanien keine rechtspopulistische Regierung wie in Ungarn gebildet wurde:
„Für Europa ist die Wahl von Sánchez eine gute Nachricht. Sie ist nicht zuletzt das Ergebnis einer Brandmauer gegen die rechtsextreme Vox. Da der konservative Partido Popular mit ihnen Regierungskoalitionen in Gemeinden und Regionen sowie ein Aktionsbündnis auf nationaler Ebene unterhält, betrifft das auch den PP. Der Erfolg von Sánchez bewahrt eines der großen EU-Länder vor einer Regierung wie in Ungarn.“
Rettung für die Linke in Brüssel
Für die Sozialdemokraten in der EU ist Sánchez' Wiederwahl eine gute Entwicklung, stellt Corriere della Sera fest:
„Pedro der Beharrliche, Pedro der Lügner, Pedro der Gerissene, Pedro der Überlebenskünstler, el guapo. Es gibt viele Bezeichnungen für den spanischen Premier. Die europäische Linke sollte ihn ab heute Pedro, den Retter, nennen. Denn Sánchez hat diesmal nicht nur das Schlimmste für sich und seine Sozialistische Partei verhindert - die mit gebrochenen Knochen aus den Kommunalwahlen im Mai hervorging -, sondern dank seiner machiavellistischen Instinkte auch die Brüsseler Regierungsfront aus dem Schlamassel gezogen, die Gefahr lief, ihre Verbündeten, die Europäische Volkspartei, in die Arme der Konservativen und Reformer (EKR) sinken zu sehen.“