Ungarn stimmt zu: Schweden wird Nato-Mitglied
Jetzt steht es fest: Schweden wird das 32. Nato-Mitglied. Mit dem Ja des ungarischen Parlaments am Montag ist die letzte Hürde genommen. Budapest gab seinen Widerstand auf, nachdem bei einem Besuch von Schwedens Premier Kristersson am Freitag der Kauf von vier schwedischen Kampfflugzeugen vom Typ JAS 39 Gripen für Ungarns Streitkräfte besiegelt worden war. Was bedeutet dieser Beitritt für die Allianz und für das bislang bündnisfreie Schweden?
Andere Ausgangsbasis als Finnland
Die Nato-Mitgliedschaft war für Schweden ein größerer Schritt als für Finnland, glaubt Ilta-Sanomat:
„Da es bis zur Nato-Mitgliedschaft ein so langer Weg war, hatten die Schweden Zeit, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass sie militärisch nicht mehr bündnisfrei sind. Das ist eine große mentale Umstellung, denn die Blockfreiheit war in der DNA der Nation verankert. Das letzte Mal, dass Schweden in einen Krieg verwickelt war, war während der napoleonischen Kriege, als es 1814 gegen Norwegen kämpfte. Das ist eine ganz andere Ausgangssituation für die Nato-Mitgliedschaft als die Finnlands. Schweden hat auch keine Grenze zu Russland, Finnland und Norwegen dagegen schon. Das Fehlen Schwedens in der Nato führte im Norden zu einer Art Vakuum. Es wird bald gefüllt werden.“
Abkehr von 200-jährigem Selbstverständnis
Stockholm schätzt Moskau offensichtlich so gefährlich ein wie noch nie zuvor, hebt Jyllands-Posten hervor:
„Es sagt etwas über den Ernst der Lage aus, dass sich Schweden angesichts der Bedrohung im Osten von 200 Jahren konsequenter Neutralitätspolitik verabschieden wollte. Schließlich lebt das Land seit – ja, seit fast 200 Jahren – mit dieser Bedrohung, und selbst während des Kalten Krieges brüllte der russische Bär nie so laut, dass schwedische Politiker in dem Glauben schwankten, sie könnten nicht selbst damit umgehen. Nicht einmal ein sowjetisches U-Boot, das sich [1981] in die Schären verirrt hatte, brachte diesen Glauben ins Wanken. Davon abzukehren, verändert sicherlich auch das immer recht solide schwedische Selbstverständnis.“
Das Risiko im Ostseeraum wächst
Dala-Demokraten trauert der schwedischen Bündnisfreiheit nach:
„Die unmittelbare Konsequenz dieses schwedischen Nato-Beitritts und der baldigen Mitgliedschaft ist natürlich, dass die sicherheitspolitischen Spannungen in unserem Teil der Welt zunehmen anstatt abzunehmen. Die Ostsee wird zu einem gefährlicheren Meer als je zuvor. … Schweden ist geistig geschrumpft. Diejenigen von uns, denen das nicht gefällt, sind sicherlich in der Minderheit, aber selbstbewusste Mehrheiten können sich irren. Und so viel ist sicher: Mehr militärische Aufrüstung wird die grundlegenden Probleme der Welt nicht lösen, sondern eher verschlimmern.“
Ein Geben und Nehmen
Dagens Nyheter jubelt:
„In ein paar Tagen, höchstens einer Woche, wird Schweden Nato-Mitglied sein. Das ist fantastisch. Schweden findet endlich nach Hause. ... Selbstverständlich muss die Verteidigung weiterhin aufgerüstet und in die Strukturen der Nato integriert werden. Vor allem aber geht es um eine mentale Veränderung. Wir bekommen Sicherheitsgarantien. Aber genauso wichtig ist, dass wir diese auch an andere weitergeben. Gemeinsam müssen wir bereit sein, die Demokratie in unserem Teil der Welt mit militärischen Mitteln zu verteidigen. Das ist absolut richtig, aber auch etwas völlig Neues.“
Russland hat Schwedens Neutralität auf dem Gewissen
Mit dem Beitritt gehen 200 Jahre schwedischer Bündnisfreiheit zu Ende, erinnert Aftonbladet:
„Es war allein Wladimir Putins Entscheidung, eine russische Interessensphäre in Europa zu fordern und unprovoziert in die Ukraine einzumarschieren. Für Schweden war es das Ende einer Ära in unserer Geschichte. Leider gibt es keine Anzeichen dafür, dass Putin beabsichtigt, seine Strategie zu ändern. Die meisten Analysten warnen vor weiteren Kriegen in Europa in den kommenden Jahren. Wir wissen nicht, wohin das führt. Aber egal, was jetzt passiert, wir werden nicht alleine dastehen.“
Nato kann von den Neuen lernen
Politiken freut sich über die Ausweitung des Bündnisses in Nordeuropa, auch weil man sich nicht länger nur auf die USA verlassen kann:
„Hier können wir uns von unseren neuen Nato-Verbündeten inspirieren lassen. Denn während Länder wie Dänemark ihre Territorialverteidigung – und den Verteidigungswillen der Bevölkerung – unter dem amerikanischen Sicherheitsschirm überdauern ließen, haben Schweden und insbesondere Finnland ein völlig anderes Verständnis und eine völlig andere nationale Verteidigungstradition. Sie wissen, dass die beste Verteidigung eine starke Selbstverteidigung ist und dass der Kampf um Sicherheit zu Hause beginnt. Es ist eine Lektion, die ganz Europa jetzt lernen muss.“
Putins Kalkül ist gründlich schiefgegangen
Auch Estland kann sich freuen, schreibt Eesti Päevaleht:
„Wenn einer der Vorwände Putins für den Angriff auf die Ukraine die Angst war, dass die Nato ihn von allen Seiten 'zersetzt', dann hat er mit seinem Angriff genau das erreicht. Die Ostsee ist nun im Wesentlichen zum Binnenmeer der Nato geworden und das gibt auch uns hier in Estland als Mitglied des Bündnisses eine viel größere Sicherheit. ... Die Bedrohung durch Russland ist natürlich noch lange nicht verschwunden. Es ist nun an der Zeit, die militärische Abschreckung der Nato wieder auf Vordermann zu bringen. In diesem Jahr sollte die Zahl der Bündnispartner, die mehr als zwei Prozent des BIP für die Verteidigung ausgeben, auf 18 steigen.“
Nur zwei Jahre gewartet
Eigentlich ging für Stockholm alles recht fix, erinnert Rzeczpospolita:
„Schweden wurde sehr schnell in die Nato aufgenommen – was die berechtigte Kritik an Orbáns Taktiererei nicht widerlegt. Es hat sein Interesse vor zwei Jahren bekundet, nachdem Russland einen großen Krieg ausgelöst hatte, davor legte es Wert auf seine Neutralität. Polen hat sieben Jahre auf die Aufnahme gewartet, ebenso Ungarn. Litauen mehr als ein Jahrzehnt. Und Mazedonien sogar noch länger, denn es musste seinem Namen den Zusatz 'Nord' hinzufügen, um endlich in die Nato aufgenommen zu werden.“
Ein stimmiger Deal
Ungarn ist und bleibt ein guter Verbündeter, beteuert die regierungsnahe Magyar Nemzet:
„Die Zahl der Artikel, in denen Ungarns Premier als Mann der Russen dargestellt wird, der die Aktivitäten der Nato blockiert und die EU lähmt, nimmt kein Ende. ... Aber dann stellt sich doch heraus, dass die ungarischen Piloten mehr schwedische Greifvögel [Gripen-Kampfjets] erhalten, um den Luftraum der Region zu schützen. ... Fruchtbare Beziehungen können nur aufrechterhalten werden, wenn man seine Interessen im Auge behält. ... Später, wenn sich herausstellt, dass das Land gar nicht isoliert ist und wir gestärkt aus diesem neuerlichen Schein-Zwist hervorgegangen sind, wird freilich niemand einräumen, dass die Regierung richtig gehandelt hat.“