Historischer Prozess gegen Ex-Präsident Donald Trump
Seit Montag muss sich Donald Trump als erster Ex-Präsident der USA in einem Strafverfahren vor Gericht verantworten. Ihm wird vorgeworfen, Geschäftsunterlagen manipuliert zu haben, um eine Schweigegeldzahlung an die Erotikdarstellerin Stormy Daniels vertuscht zu haben. Ein Befangenheitsantrag Trumps gegen Richter Juan Merchan wurde abgelehnt. Kommentatoren analysieren die Bedeutung des Prozesses.
USA sind Vorbild an Rechtsstaatlichkeit
Die Vereinigten Staaten können auf diesen Prozess stolz sein, meint Rzeczpospolita:
„Der Prozess gegen Trump bietet ein spektakuläres Beispiel für die Stärke des amerikanischen Rechtsstaates, vor dem sich – zumindest theoretisch – alle verantworten müssen, sowohl die Mächtigsten als auch die Schwächsten. Ein solches Spektakel ist nicht nur im totalitären Russland oder China unvorstellbar, sondern selbst in Westeuropa sind vergleichbare Beispiele nicht leicht zu finden.“
Irrwitzige Selbstüberhöhung
Die Kleine Zeitung findet es absurd, wie Trump die Lage interpretiert:
„Der Prozess in Trumps Augen: 'politische Verfolgung' und ein 'Angriff auf einen politischen Gegner'. Der zuständige und untadelige Richter Juan Merchan: befangen ('Dieser korrupte Richter hat mich geknebelt'). Die Zeugen: 'widerlich'. Die Geschworenen: so oder so falsch ausgewählt. Und dann natürlich auch noch Trumps faulste Trumpfkarte ... : Dass er als Privatperson wegen möglicher Verfehlungen vor Gericht steht, sei automatisch ein 'Angriff auf Amerika'. Trump IST in Trumps Gedankenwelt also ganz Amerika. ... Das ist Irrwitz vom obersten Plateau der Selbstüberhöhung herab.“
Das Urteil könnte auch schnell fallen
Ukrajinska Prawda analysiert Trumps Verzögerungstaktik:
„Trumps 'Erfolgsbilanz' weist vier Strafverfahren von unterschiedlicher Komplexität und mit völlig unterschiedlichen juristischen Perspektiven aus. … Das Gericht in diesem Verfahren war das erste, das zur Sache kam, aber Trump hat immer noch die Möglichkeit zu verzögern (was er in den letzten Tagen auch getan hat). Der ehemalige Präsident beschwert sich vor allem darüber, dass die Geschworenen in einem Bezirk tagen werden, in dem die Mehrheit Anhänger der Demokratischen Partei ist und gegen ihn voreingenommen sei (obwohl das Auswahlverfahren der Geschworenen eine Prüfung auf Voreingenommenheit beinhaltet). Andererseits hat dieser Fall die besten Chancen, noch vor den US-Präsidentschaftswahlen im November abgeschlossen zu werden.“
Auswirkungen schwer abschätzbar
Trump gewinnt und verliert an Unterstützung, beobachtet Mediapart:
„Im vergangenen Jahr konnte er im Zuge der Anklage in Manhattan in nur 24 Stunden vier Millionen Dollar an Wahlkampfspenden sammeln – ein Rekord. Auch heute versucht sein Team weiter, aus der Affäre Kapital zu schlagen, indem es den ehemaligen Präsidenten als 'Opfer einer Hexenjagd' darstellt. ... Zum Beispiel kann man sich für 36 Dollar ein Stück Geschichte kaufen: ein T-Shirt, das mit dem Datum der Anklageerhebung gegen Donald Trump bedruckt ist. … Doch die aggressive Kommunikation in den nach den Gerichtsverhandlungen gegebenen Interviews kann unabhängige oder unentschlossene Wählerinnen und Wähler in den Schlüsselstaaten vergraulen.“
Anklage zu weit hergeholt?
Polityka ist nicht sicher, ob die Vorwürfe vor Gericht standhalten:
„Die Anklage ist nicht unumstritten. Die Manipulation von Geschäftsunterlagen ist im Bundesstaat New York ein Vergehen, kein Verbrechen. Staatsanwalt Alvin Bragg argumentiert jedoch, dass die Fälschung dazu diente, einen Verstoß gegen das Wahlkampffinanzierungsgesetz zu verschleiern. ... Denn seiner Ansicht nach sollte das Schweigen von Daniels und [Ex-Model Karen] McDougal erkauft werden, um die Tatsache von Trumps unethischem Verhalten wenige Wochen vor der Wahl im November 2016 zu verschleiern, was nach Bundesrecht als illegale Manipulation zum Zwecke des Wahlsiegs gilt. Diese Darstellung des Falls in der Anklageschrift halten einige Juristen für etwas weit hergeholt. “
Erstklassige Bühne für New Yorks Enfant terrible
Der Ex-US-Präsident wird sich so richtig in Szene setzen, prophezeit Le Temps:
„Macht, Sex, Verrat, theatralische Wendungen, ein unkontrollierbarer Angeklagter: Dieser Prozess hat alle Zutaten für ein typisches US-amerikanisches Schauspiel. Doch der pädagogische Wert wird begrenzt sein. Es ist keine neue Erkenntnis, dass Donald Trump kein Vorbild an Tugendhaftigkeit und ein notorischer Lügner ist. ... Man kann sich darauf verlassen, dass der Angeklagte die Rolle des Opfers der verbissenen Justiz übertrieben darstellen wird, eine Haltung, die er bislang politisch perfekt für sich nutzen konnte. ... New York, das sein 'Enfant terrible' leidenschaftlich hasst, bietet ihm etwas mehr als sechs Monate vor den Präsidentschaftswahlen eine erstklassige Bühne.“