Erdoğan empfängt Hamas-Führer Haniyeh
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat am Samstag den Chef des Hamas-Politbüros, Ismail Haniyeh, in Istanbul empfangen und mit ihm über humanitäre Hilfe und eine mögliche Waffenruhe gesprochen. Ist diese demonstrative Nähe ein krasser Fehltritt oder kluge Politik?
Präsident offenbart sich als Islamist
Die kemalistische Cumhuriyet zeigt sich entsetzt:
„Erdoğan verglich die fundamentalistische Terrororganisation Hamas mit der von Staatsgründer Atatürk gegründeten und geleiteten Kuvâ-yi Milliye-[Unabhängigkeits-]Bewegung. ... Dieser Vergleich steht nicht nur im völligen Widerspruch zu historischen Fakten und Tatsachen, sondern ist auch eine Beleidigung der Kuvâ-yi Milliye und Atatürks und beweist einmal mehr Erdoğans Scharia-nahe und fundamentalistische Identität. .. Auch dass sich Erdoğan mit Hamas-Führer Ismail Haniyeh anstelle von Mahmud Abbas, dem Präsidenten Palästinas, traf und seine Beziehungen zur Hamas seit seiner Machtübernahme intensiviert hat, zeigen deutlich Erdoğans islamistische und fundamentalistische politische Linie.“
Palästinensische Gruppen versöhnen
Die regierungsnahe Sabah lobt:
„Die Türkei setzt auf die Formel 'Ein Palästina', um Israel und die USA davon abzuhalten, die ganze Region in einen Krieg zu ziehen, und eine Zweistaatenlösung zu erzwingen, die weltweit unterstützt wird. ... Die Türkei bemüht sich seit langem ernsthaft um eine Beendigung des Konflikts zwischen Hamas und Fatah. Diese beiden Organisationen vor der internationalen Gemeinschaft als 'Versöhnungsregierung' zu präsentieren wird nicht nur das politische Gleichgewicht in Israel verändern, sondern auch das dunkle Kalkül [der USA und Israels] ausbremsen.“
Türkei wird wohl neuer Vermittler im Gaza-Krieg
Gerade durch ein gutes Verhältnis zur Hamas kann Erdoğan diplomatisch punkten, meint die taz:
„Sollte sich Katar als Vermittler zwischen Israel und der Hamas zurückziehen, was das Land Berichten zufolge plant, wird Israel die Türkei als Ersatz akzeptieren müssen. ... Und darum geht es den palästinensischen Islamisten, die es Katar zu lange zu schwer gemacht haben ... und denen nun offenbar der Rausschmiss aus dem Emirat droht. Es braucht für Verhandlungen um einen Waffenstillstand und die Befreiung der noch immer im Gazastreifen verharrenden Geiseln einen Vermittler, der das Vertrauen der Hamas genießt. Weder Ägypten noch Saudi-Arabien können diese Rolle übernehmen. Netanjahu wird wohl oder übel in den sauren Apfel beißen müssen, wenn ihm an Verhandlungen gelegen ist.“