Rafah: Kann die Offensive gestoppt werden?
Die radikal-islamische Hamas hat nach eigenen Angaben einem Vermittlungsvorschlag über eine Feuerpause im Gazastreifen zugestimmt. Der Vorschlag erfülle Israels Forderungen bei weitem nicht, erklärte Premier Netanjahu, er werde aber eine hochrangige Verhandlungsdelegation nach Ägypten schicken. Die Offensive auf Rafah ließ er fortsetzen, Israels Armee kontrolliert mittlerweile Teile der Stadt und die palästinensische Seite des Grenzübergangs.
Höchste Zeit, dass das Leiden aufhört
Turun Sanomat fordert vollen Einsatz für einen sofortigen Waffenstillstand:
„Die Situation in Rafah spitzt sich zu. Israel will die Hamas auch dort zerstören, was die humanitäre Krise weiter verschärfen dürfte. … Die Hamas-Führung muss gewusst haben, wie Israel auf einen blutigen Terroranschlag reagieren würde. Wenn es ihr Ziel war, Israels internationales Ansehen zu beschädigen, dann ist ihr das gelungen. Der Preis war schrecklich: Zehntausende von zivilen Opfern, die meisten von ihnen Palästinenser. Die internationale Gemeinschaft muss alles in ihrer Macht stehende tun, um einen Waffenstillstand im Gazastreifen herbeizuführen, denn eine weitere Gelegenheit wird sich möglicherweise in nächster Zeit nicht ergeben. Das Leiden der Zivilbevölkerung muss aufhören.“
Bidens Zaudern rächt sich wieder einmal bitter
Dass sich die US-Regierung nicht klar gegen das Vorgehen Israels gestellt hat, beklagt The Guardian:
„Die USA agieren weiterhin viel zu zurückhaltend, insbesondere im Hinblick auf Israels Anliegen – obwohl sie die bei weitem einflussreichste externe Konfliktpartei sind. Übermäßige Vorsicht ist ein Markenzeichen der Präsidentschaft von Joe Biden. Sein Unwille, eine Konfrontation mit Russland zu riskieren, hat die Ukraine zwei Jahre nach der von Wladimir Putin befohlenen Invasion an den Rand einer Niederlage geführt. Ebenso hat Bidens Weigerung, sich Israels Premier Netanjahu in der Gaza-Frage hart und frühzeitig entgegenzustellen, erheblich zur Verschärfung der Katastrophe beigetragen. Sie hat zudem dazu geführt, dass Biden die Unterstützung sehr vieler US-Wähler verloren hat.“
Keine Chance auf Frieden mit Hamas
Mit der Hamas kann es keinen Frieden geben, analysiert Berlingske:
„Der montägliche Versuch der Hamas, einem Waffenstillstand zuzustimmen, um internationale Unterstützung zu gewinnen und Israel in die Defensive zu bringen, war zum Scheitern verurteilt, obwohl die israelische Regierung kurzzeitig rechtfertigen musste, dass sie nicht unterschreiben würde. ... Denn dieser Waffenstillstand wäre kaum ein fruchtbarer Boden für einen dauerhaften Frieden gewesen. Die Israelis müssen äußerst vorsichtig sein mit dem, was sie jetzt tun. Ein blutiger Angriff auf Rafah mit Tausenden zivilen Opfern wird nach hinten losgehen. Aber die Hamas muss weg. Vorher wird es keinen Frieden geben.“
Der wahre Vermittler: Erdoğan
La Repubblica spricht dem türkischen Präsidenten Erdoğan eine entscheidende Rolle bei den Verhandlungen über einen Waffenstillstand zu:
„Wird Israel Ja sagen? Eigentlich spielt das keine Rolle. Denn auch wenn es Nein sagen wird, wird Ismail Haniyeh entschieden bei seinem Ja bleiben. Damit die Verantwortung für den Krieg ganz auf Netanjahu abgewälzt wird. ... Was hat sich für die Hamas geändert? Offensichtlich, dass die 132 Geiseln, die in Gaza geblieben sind, jetzt größtenteils tot sind. Je länger der Krieg andauert, desto mehr verliert die Hamas an Tauschware. Doch vor allem fiel Erdoğan ins Gewicht. … Er hat auf die Hamas viel mehr Einfluss als Katar, denn er ist kein Verbündeter, er ist ein Freund. Ein brüderlicher Freund von Haniyeh und der Hälfte des Politbüros, mit denen er die Zugehörigkeit zur Muslimbruderschaft teilt.“
Netanjahus Motive sind unklar
Israels Premier sollte den Vermittlungsvorschlag annehmen, rät The Irish Times:
„Verbündete wie die USA haben Netanjahu angefleht, sich zurückzuhalten. Sollte er das nicht tun, werden viele von ihnen durch innenpolitischen Druck zu Diskussionen über Sanktionen und Beschränkungen der Waffenlieferungen gezwungen sein. Auch werden sich nach diesen Fortschritten bei den Waffenstillstandsverhandlungen viele fragen, ob der Premier der Freilassung der Geiseln Vorrang einräumt oder ob er damit beschäftigt ist, seine extremistischen Kabinettskollegen zu besänftigen.“
Nachgeben ist keine Option
Israel kann unter den aktuellen Bedingungen keinem umfassenden Waffenstillstand zustimmen, gibt The Spectator zu Bedenken:
„Damit die Hamas besiegt werden kann, müssen die Kämpfe wieder aufgenommen werden. Israel kann es nicht zulassen, dass eine Organisation die Kontrolle über Gaza behält, die Israel angreift und geschworen hat, dies auch weiter zu tun. Der Angriff vom 7. Oktober hat deutlich gemacht, dass diese Bedrohung eliminiert oder zumindest auf ein akzeptables Maß reduziert werden muss. Um das zu erreichen, muss Israel direkt in Rafah gegen die Hamas vorgehen.“
Es könnte zum Schlimmsten kommen
Die Bodenoffensive hat bereits begonnen, fürchtet Delo:
„Der Beginn der Zwangsevakuierung der bereits mehrfach intern vertriebenen, erschöpften, hungrigen, kranken und traumatisierten Bewohner von Rafah kann als Beginn der seit Langem angekündigten großen israelischen Bodenoffensive verstanden werden, die in Gaza ein neues Kapitel des unbeschreiblichen Grauens auslösen könnte. Ein Frontalangriff auf die Stadt, in der mittlerweile durchschnittlich 14.000 Menschen pro Quadratkilometer unter schrecklichen Bedingungen leben und die gleichzeitig das Zentrum der meisten (wenigen) humanitären Einsätze in der gesamten palästinensischen Enklave ist, könnte zum Schlimmsten werden, das in unserer Zeit voller Kriegsschrecken passiert ist.“