Spanien neue Hauptanlaufstelle für Flüchtlinge
In Spanien kommen derzeit so viele Flüchtlinge an, wie seit zwölf Jahren nicht mehr und erstmals mehr als in Italien. Der neue Chef der spanischen Konservativen, Pablo Casado, wirft in diesem Zusammenhang dem sozialistischen Premier Pedro Sánchez vor, durch Gutmenschen-Politik Millionen afrikanischer Flüchtlinge anzulocken. Dafür wird er von den Kommentatoren kritisiert.
Faktencheck entlarvt die Stimmungsmache
Pablo Casado verdreht die Fakten, stellt Chefredakteur Ignacio Escolar in eldiario.es klar:
„Niemand hat davon gesprochen, 'alle mit Papieren auszustatten' und schon gar nicht stehen wir vor dem Problem, dass 'Millionen Afrikaner' nach Spanien kommen. Im laufenden Jahr kamen rund 24.000 Einwanderer übers Meer oder die Grenzen in Ceuta und Melilla nach Spanien. ... Und das Anwachsen der Einwanderung über Afrikas Küste nach Spanien begann lange vor der Regierungsübernahme der Sozialisten. Die klar für sich sprechenden Zahlen steigen seit 2013 und machen seit 2016 einen deutlichen Sprung nach oben, also während die PP [die Casado jetzt führt] noch an der Macht war.“
Lösungen boykottieren ist immer leicht
Politiker wie Casado gießen Öl ins Feuer des Populismus, kritisiert Público:
„Solche Töne zeigen die Verachtung für die öffentliche Debatte und die Gemeinschaft, der diese Politiker dienen sollten. Wenn leichtfertige Demagogie die Wahrheit übertönt, dann ist die Demokratie gefährdet. ... Wenn diese Politiker die Grenzen befestigen wollen, sollten sie sich erstmal für den Aufbau einer stärkeren, handlungsfähigen EU einsetzen. Denn die Grenze in Melilla oder die raue Küste Sardiniens werden das Migrationsproblem nicht lösen. Sie sollten damit anfangen, ihren eigenen Beitrag zu leisten, um eine wahrhaft europäische Flüchtlingspolitik aufzubauen - und nicht jegliche Bemühung in diese Richtung boykottieren. Dies würde jedoch eine staatsmännische Haltung erfordern, und die ist derzeit in Europa nicht sehr in Mode.“
Spanien als Experimentierfeld
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung sieht die Chance, in Spanien neue Wege in der Migrationspolitik zu erproben:
„Anders als die Rechtspopulisten in Italien ist die Minderheitsregierung in Madrid der EU zugetan und kann nun beweisen, dass sie auch eine gemeinsame Lösung will. Ministerpräsident Sánchez ist aufgeschlossen gegenüber der auch vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron ins Spiel gebrachten Idee, 'geschlossene Zentren' einzurichten, die der Spanier lieber 'sichere Häfen' nennt. Dort könnte möglichst schnell entschieden werden, wer schutzbedürftig ist und wer nicht. … Dank der umfangreichen Hilfe, die die EU-Kommission für solche Zentren zugesagt hat, könnte Spanien es diesmal anders und besser machen - ohne dass sich das Land in einen riesigen Wartesaal verwandelt, wie das in Griechenland geschah.“
Madrid sendet falsche Signale
Wer für die steigenden Flüchtlingszahlen in Spanien verantwortlich ist, ist für ABC glasklar:
„Die Regierung nahm nicht nur die Aquarius auf, sondern machte aus deren Ankunft im Hafen von Valencia gleich ein Spektakel des humanistischen Gutmenschentums. ... Gleichzeitig verkündete sie mit großem Tamtam, dass man allen irregulären Einwanderern die Gesundheitsversorgung garantiere und den Nato-Draht demontieren wolle. ... Es ergibt keinen Sinn, Marokko darum zu bitten, die Einwanderung an den Grenzzäunen zu stoppen, wenn die spanische Regierung gleichzeitig ein Medienspektakel mit den Aquarius-Flüchtlingen veranstaltet und die Geschäfte der Schlepperbanden beflügelt, indem sie legal und illegal eingewanderte Migranten gleichbehandelt.“
Wer hilft, ist der Blöde
Die steigende Zahl ankommender Flüchtlinge in Spanien zeigt, wie schnell sich Migranten und Schlepper politischen Gegebenheiten anpassen, beobachtet die Wiener Zeitung:
„Italien schließt vor den Augen der Weltöffentlichkeit seine Häfen, Spanien setzt ein entgegengesetztes Zeichen - und schon schnellen die illegalen Ankünfte in Andalusien nach oben. Italiens Rechtsaußen, ohnehin im Aufwind, fühlen sich bestärkt, Spaniens wackelige Linke hat nicht nur keine Mehrheit, sondern jetzt ein zusätzliches Problem. Wir erleben in Echtzeit das Lehrbeispiel einer politischen Dynamik in Europa, dessen Lektion sich keiner wünschen kann: Wer hilft, ist der Blöde, wer nicht hilft, wird belohnt. Das wirkt, und zwar nachhaltig. Auch angesichts absoluter Migrationszahlen, die trotz steigender Tendenz weit unterhalb der Vorjahre liegen.“