Europas Linke und der Krieg gegen die Ukraine
Viele linke Parteien Europas stehen derzeit vor einer Zerreißprobe: Wie stehen sie zu Russland, das einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt, aber als Nachfolgestaat der Sowjetunion als Befreier vom Faschismus gesehen wird? Wie halten sie es mit den USA, der Nato, Waffenlieferungen und Aufrüstung? Dieser Konflikt schlägt sich auch in den Kommentarspalten nieder.
Von guten und schlechten Oligarchen
Die linke Avgi klagt über Heuchelei in der Einteilung in Gut und Böse:
„Die russischen Kapitalisten sind die Dunkelheit. Die multinationalen Konzerne der modernen Sklaverei, der Kinderarbeit und der Umweltzerstörung sind unser kosmisches Licht. … Müssen wir Angst vor Putin haben? Ja. Aber sollten wir vergessen, was Europa und der Welt das bewaffnete Deutschland angetan hat? Was die USA seit Jahrzehnten getan haben? Wohin hat uns der brutale globalisierte Kapitalismus geführt? … Wir sollten das nicht schlucken, wenn uns die eine Hälfte der Oligarchen sagt, wie wir die andere Hälfte der Oligarchen zu beurteilen haben. Die guten Oligarchen, die schlechten Oligarchen und die Trottel. Das sind wir.“
Auf der Seite des Bösen
Portugals kommunistische Partei PCP hat die Aufnahme einer Rede Selenskyjs in die Tagesordnung des Parlaments abgelehnt. Die linksliberale Tageszeitung Jornal i ist entsetzt:
„Die hartgesottensten Kommunisten erinnern sich an die Sowjetunion und sind der Meinung, dass Russland als Erbe dieses Reiches immer unterstützt werden muss. … Wie können die Kommunisten nicht verstehen, dass sie sich damit auf die Seite der Bösen stellen? ... Das Kurioseste war die lahme Ausrede, die sie vorbrachten: Die Sitzung mit dem ukrainischen Präsidenten fördere 'die Eskalation von Krieg, Konfrontation, Konflikt und Wettrüsten'. Es ist also nicht Putin, der die Eskalation des Kriegs fördert, es ist nicht die russische Armee, die Hyperschallraketen abschießt und Städte in die Luft jagt. Sondern es ist das mächtige portugiesische Parlament...“
Sie leben in einer anderen Welt
Die linke Einheitsliste, die die sozialdemokratische Minderheitsregierung in Dänemark stützt, hat vergangene Woche im Parlament auf die Frage, ob Russland eine Gefahr für die Welt darstelle, mit "generell gesehen, nein", geantwortet. Für die liberal-konservative Tageszeitung Jyllands-Posten ist sie nicht mehr tragbar:
„Man kann die Premierministerin berechtigterweise fragen, wie lange sie ihre Regierung noch von einer Partei abhängig machen will, die so offensichtlich in einer anderen Welt lebt. Und dann muss man hoffen, dass die Fehler der Einheitsliste auch bei einigen der mehr als 250.000 Dänen auffallen, die bei der letzten Parlamentswahl auf den smarten und verantwortungslosen Großstadt-Linkspopulismus der Partei hereingefallen sind.“