Israel erschießt versehentlich Geiseln - was nun?
Wie angekündigt hat Israel seinen Einsatz gegen die radikal-islamische Hamas im Gazastreifen trotz der jüngsten UN-Resolution fortgesetzt. Doch nun passierte dabei ein schrecklicher Fehler: Drei der von der Hamas entführten Geiseln wurden versehentlich von israelischen Soldaten erschossen. Kommentatoren diskutieren, ob das ein Zeichen dafür ist, dass Israel seine Strategie ändern sollte.
Fataler Unfall mit fatalen Folgen
Israel entgleitet die Situation in mehrfacher Hinsicht, so La Stampa:
„Die israelischen Soldaten, die drei Geiseln getötet haben, 'haben die Anweisungen der IDF nicht befolgt'. Nach nur wenigen Stunden der Verlegenheit befreite sich Israel mit dieser kurzen Erklärung von jeglicher Verantwortung in einer schmerzhaften und bedauerlichen, aber auch politisch peinlichen Episode. Im Krieg ist alles erlaubt, heißt es. Aber in einem Krieg wie dem im Gazastreifen, einem klaustrophobischen Krieg, der 24 Stunden am Tag live auf Bildschirmen in der ganzen Welt übertragen wird, kann die kleinste Episode eine verheerende globale Wirkung haben. Was die Militärs der alten Schule und die israelische Regierung vielleicht noch nicht erkannt haben: Wenn nicht der Konflikt, so wird ihnen doch die Überzeugungsarbeit rund um den Konflikt genau jetzt entzogen.“
Höchste Zeit umzudenken
So kann es nicht weitergehen, schreibt die Frankfurter Rundschau:
„Israels Armee und Israels Regierung brauchen dringend eine neue Taktik – und eine stimmige langfristige Strategie. ... Schluss mit massenhaften Luftangriffen, Schluss mit dem Kettengerassel großer Panzerverbände, stattdessen 'fokussierte' Rein-und-raus-Attacken gegen Hamas-Kämpfer, ausgeführt von Elitesoldaten auf Grundlage besserer Geheimdiensterkenntnisse als bisher. ... Lösen lässt sich der Konflikt damit nicht, aber er könnte auf diese Art eingedämmt werden. Genau das ist, aus weltpolitischen wie innenpolitischen Gründen, das Ziel von US-Präsident Joe Biden. Wird Netanjahu, durch das Geisel-Desaster unter Druck, endlich einen guten Rat von Freunden annehmen?“
Langfristig helfen nur Verhandlungen
Die Israelis brauchen eine neue Regierung, befindet Dagens Nyheter:
„Vielleicht kann die Terrororganisation Hamas unter enormen zivilen Verlusten ausgeschaltet werden, aber dann ist es natürlich nur eine Frage der Zeit, bis die 'neue Hamas' auftaucht. Für normale Israelis gibt es nur einen langfristigen Weg zur Sicherheit, und das sind Verhandlungen. Derzeit ist die Unterstützung dafür in Israel gering, aber zumindest könnte man eine Regierung haben, die Siedler nicht aktiv bewaffnet, die Rechtsstaatlichkeit nicht abschafft und palästinensische Zivilisten nicht mehr oder weniger rücksichtslos bombardiert. Dann müssten Netanjahu und seine rechtsextremen Koalitionspartner gehen.“
Waffenstillstand wäre Geschenk an die Hamas
Dass Israel den Krieg weiterführt, findet der Kurier prinzipiell richtig:
„[Israel h]at angekündigt, den Krieg gegen die Hamas auch ohne internationale Unterstützung fortzusetzen. Ein Waffenstillstand wäre ein Geschenk an die Hamas, zurückzukehren, Israel erneut zu bedrohen. Hat Israel recht? Ja. Man kann auch 70 Tage nach dem Überfall entfesselter Hamas-Horden auf Israel nicht oft genug darauf hinweisen: Keine politische Ausgangslage rechtfertigt ein solches Verbrechen, weder an jüdischem noch an sonstigem Leben. Und: Die Hamas kämpft nur mit einem (vom Iran unterstützten) Ziel – Israel zu vernichten.“