Machtkampf in Polen: Geht Tusk zu brachial vor?
Die Auseinandersetzungen zwischen neuem und früherem Regierungslager in Polen nehmen an Schärfe zu. Die von Premier Tusk angeordnete Auflösung der staatlichen Sender sei illegal, entschied jetzt das Verfassungsgericht. Das Kulturministerium entgegnete, das Urteil sei ungültig und das Gericht, dessen Richter von der ehemaligen nationalkonservativen PiS-Regierung ernannt wurden, kein unabhängiges Organ. Die Presse streitet mit.
Die Herausforderung ist größer als gedacht
Auch im Ausland beginnt man zu verstehen, dass Polen so schnell nicht zur Ruhe kommt, beobachtet Polityka:
„Nach den Wahlen vom 15. Oktober ging eine Welle des Optimismus durch Europa, da Donald Tusk sich als erster Politiker erwies, der eine populistische, euroskeptische und mit Brüssel im Konflikt stehende Regierung bezwang. ... Einen Monat nachdem Tusk die Regierungsgeschäfte übernommen hat, und ein Vierteljahr nach dem Wahlsieg ist jedoch bereits klar, dass die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit in Polen weder einfach noch schnell vonstattengehen wird und möglicherweise Schritte erfordert, die zumindest umstritten sind und manchmal sogar als 'gewaltsam' angesehen werden. Europa erkennt langsam das Ausmaß des Problems, vor dem Warschau steht.“
Nicht mit der Brechstange
Die neue Regierung muss mit Bedacht vorgehen, mahnt Financial Times:
„Wenn die Demokratie in Polen langfristig Fuß fassen soll, muss die neue Regierung verantwortungsvoll und maßvoll handeln. Sie darf nicht den Eindruck erwecken, dass sie bei der Gesetzmäßigkeit Abstriche macht. Während sie die Lakaien der PiS aus den staatlichen Institutionen und Unternehmen beseitigt, sollte sie davon absehen, diese Stellen mit eigenen Loyalisten zu besetzen und unabhängige Persönlichkeiten wählen. ... Die Wiederherstellung der Unabhängigkeit der Gerichte und des staatlichen Fernsehens sind wichtige Schritte, um die gesellschaftliche Spaltung zu überbrücken. ... Dabei muss die Regierung Tusk aber darauf achten, dass sie nicht den Anschein erweckt, so zu handeln wie ihre Vorgängerin.“
So sieht eben eine Wende aus
Hvg ist von den Entwicklungen nicht überrascht:
„Ja, so sieht der Abriss eines solchen Regimes aus. Kriminelle werden eingesperrt, Hofdichter werden entlassen. Privilegien werden abgeschafft, rechtswidrig erworbenes Vermögen beschlagnahmt. Dies sind keine Schauprozesse, das ist keine Kulakenverfolgung, sondern Aufdeckung echter Verbrechen, die Abschaltung aus öffentlichen Geldern finanzierter Propagandakanäle: ein grundlegendes Element eines Regimewechsels.“
Duda ist ein Undemokrat
Für den Tages-Anzeiger hat sich das polnische Staatsoberhaupt endgültig diskreditiert:
„Präsident Andrzej Duda hat einen neuen Ausdruck in der Geschichte des polnischen Rechtspopulismus geprägt: 'Terror der Rechtsstaatlichkeit'. Mit diesem überzieht seiner Meinung nach die liberalkonservative Regierung von Donald Tusk das Land. ... Dudas Äusserungen und Ansprachen sind wohlüberlegt und werden gezielt unters Volk gebracht. Was macht es schon, dass er sich damit endgültig als Undemokrat diskreditiert? Dudas weitere Karriereoptionen nach Ende seiner Amtszeit 2025 liegen nur noch in der PiS-Partei.“