Neuralink-Gehirnchip: Revolution oder heiße Luft?
Elon Musks Unternehmen Neuralink hat zum ersten Mal einen Chip in das Gehirn eines Menschen implantiert, mit dem es möglich sein soll, nur per Gedanken ein Mobiltelefon zu steuern. Die Technologie, an der mehrere Unternehmen und Institutionen forschen, soll Menschen mit Querschnittslähmung oder auch Demenz helfen. Ob das Neuralink-Implantat wie gewünscht funktioniert, muss sich noch herausstellen. Nicht nur das stört Kommentatoren.
Qualitätsstandards bisher unzureichend
El Mundo erkennt das Potenzial, beharrt aber auf zusätzliche Nachweise:
„Der Traum vom Implantat, das das Gehirn mit einem beschädigten Rückenmark oder einer Prothese verbindet, rückt näher. ... Letztes Jahr konnte ein gelähmter Mann in der Schweiz wieder gehen, nachdem ihm erfolgreich eine Gehirnschnittstelle implantiert worden war. ... Das Resultat wurde wissenschaftlich geprüft und in einer angesehenen Zeitschrift veröffentlicht - zwei Voraussetzungen, die Musks Ankündigung nicht erfüllt. Dazu haben Ärzteverbände berichtet, dass Neuralink den qualvollen Tod von 12 Primaten mit ähnlichen Chips verursacht hat. ... Jede Studie muss strengen Qualitäts- und Transparenzstandards genügen, damit sie nicht nur Finanzspekulation bleibt und Patienten keine falschen Hoffnungen macht.“
Bloß eine wissenschaftliche Totgeburt
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung stößt sich an der Inszenierung eines unausgereiften Produkts:
„Vielleicht fehlt es Musk an der nötigen Geduld, auf aussagekräftige Daten zu warten, die unabhängig geprüft werden können. Wahrscheinlich ist er charakterlich auch schlicht so gepolt, mehr auftrumpfen als überzeugen zu wollen. Für die Betroffenen und Unbehandelten jedoch und für alle anderen, die den von Hunderten seriösen Forschern angestrebten Fortschritt vorantreiben, sind die kommunikativen Appetithäppchen von Mister X bis auf Weiteres bloß eine wissenschaftliche Totgeburt. Und auch das sind Musks experimentelle Telepathie-Visionen: die Stilblüte einer bis aufs Letzte kommerzialisierten Medizin.“
Hoffentlich bleibt es bei den guten Absichten
La Repubblica warnt vor einem Missbrauch der Technologie:
„Es stimmt zwar, dass der ins Gehirn implantierte Chip derzeit vor allem Menschen mit schweren Krankheiten helfen soll, ihre lebenswichtigen Funktionen wiederzuerlangen. … Doch neben der grundsätzlichen Frage nach dem medizinischen Erfolg wirft das erste Implantat mehrere andere ethische Fragen auf. Zum einen stellt sich die Frage, wie weit diese Technologie getrieben werden soll, denn Musk macht keinen Hehl daraus, dass er den 'Cyborg' anstrebt, nämlich die Integration von Computern, künstlicher Intelligenz und Menschen, um 'Übermenschen' zu schaffen, und es fehlt nicht an Befürchtungen, dass der Chip einst zur Gedankenkontrolle eingesetzt werden wird.“
Mögliche Fehlentwicklungen verhindern
Die Politik sollte Musks Vorhaben genau im Auge behalten, fordert Trends-Tendances:
„Elon Musk kündigte an, dass die Chips auch verhindern sollen, dass wir von der KI überholt werden. ... Andernfalls würde die Menschheit Gefahr laufen, auszusterben. Genau hier stellen sich ethische und gesellschaftliche Fragen oder werden sich stellen. … Das Start-up Neuralink wird neu definieren, was Menschen in Zukunft sein werden. Die Grenzen für mögliche Fehlentwicklungen werden von der Gesellschaft gesetzt, also von unseren Politikern. Doch diese sind heute mit unseren Landwirten, morgen mit den Wahlen und übermorgen mit anderen dringenden Problemen beschäftigt. Und währenddessen schreiten die wirklichen Entscheidungsträger voran und gestalten die Welt von morgen ohne unsere Zustimmung neu.“