Warum traf sich Erdoğan mit CHP-Chef Özel?
Erstmals seit acht Jahren hat sich Erdoğan mit einem Vertreter der größten Oppositionspartei CHP getroffen. Was der türkische Präsident und CHP-Chef Özel genau besprachen, ist nicht bekannt. Dennoch schlägt es Wellen in den Kommentarspalten der Landespresse.
Vorsicht vor zuviel Optimismus
Für Karar bringt das Treffen keine Änderung in der türkischen Innenpolitik:
„Erdoğan, der es als Schwäche ansieht, der Botschaft der Wähler zu folgen und eine Tendenz zur Demokratisierung zu zeigen, zieht es vor, für eine vorübergehende Entlastung der Wirtschaft zu sorgen und sich wie bisher zu verhalten. ... Özel tut als Vorsitzender der stärksten Partei, die der Macht so nah ist, genau das Richtige und vermittelt den Wählern seine Botschaft, indem er Erdoğan nicht den Trumpf liefert, behaupten zu können, die CHP sei eine kompromisslose Partei. Erdoğan hingegen versucht, angesichts der Demoralisierung nach der Wahl Zeit zu gewinnen und die CHP zu einer ruhigeren Haltung ihm gegenüber zu zwingen.“
Probleme des Landes können nicht warten
Auch wenn Özel mit dem Treffen Erdoğans Macht manifestiert, war es wichtig und notwendig, meint Murat Yetkin in seinem Blog:
„Wenn nicht etwas Unerwartetes passiert, wie etwa der Rücktritt des Präsidenten aufgrund gesundheitlicher Probleme oder ein Todesfall oder vorgezogene Wahlen, ist der nächste Urnengang noch viereinhalb Jahre entfernt. Das ist eine lange Zeit, aber das Land hat dringende Probleme, die nicht warten können. ... Deshalb halte ich es nicht für aussichtslos, sich im Rahmen einer gelassenen, geplanten und bewussten Strategie mit Erdoğan und [seinem Unterstützer, MHP-Chef] Bahçeli an einen Tisch zu setzen und zu verhandeln, notfalls gegenseitige Zugeständnisse zu machen und zu versuchen, das Maximum herauszuholen.“
Das Regime beginnt sich aufzulösen
Erdoğan setzt auf Normalisierung, weil ihm gar nichts anderes übrig bleibt, kommentiert Birgün:
„Das Palastregime steckt mehr denn je in Schwierigkeiten. ... Weder von den Finanzkreisen noch von den westlichen Führern bekommt es, was es will. Die Niederlage vom 31. März, die Absage seines Besuchs im Weißen Haus, das Fehlen ausländischer Gelder - diese sich überschneidenden Faktoren zwingen den Palast zu Manövern. ... Das Regime hat begonnen, sich aufzulösen. Erdoğan erzwingt alle Möglichkeiten zur Konsolidierung seiner Macht. Dabei sucht er sowohl im Inland als auch im Ausland nach Unterstützung. Mit seiner 'Entspannungsstrategie’ versucht er, mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.“