100 Jahre: Happy Birthday, Finnland!
Kurz nach der Oktoberrevolution erklärte Finnland am 6. Dezember 1917 seine Unabhängigkeit vom Russischen Reich. Das 100-jährige Bestehen ihres Landes feierten die Finnen in diesem Jahr mit verschiedensten Veranstaltungen unter dem Motto "Zusammen". Passend dazu sind sie am heutigen Dienstag um 14 Uhr zum gemeinschaftlichen Kaffeetrinken aufgerufen. Pressestimmen zum Unabhängigkeitstag zeichnen ein vielschichtiges Bild des finnischen Gemütszustands.
Die Kriegswunden sind noch nicht geheilt
Die Wunden der Kriege prägen bis heute die finnische Art zu denken, schreibt die finnische Journalistin Yrsa Grüne in Svenska Dagbladet:
„Die Kriege schufen den Rahmen, der nach wie vor bestimmt, wie die Finnen sich selbst und ihre Geschichte sehen. ... In der vergangenen Woche, als sich der Tag jährte, an dem die Sowjetunion 1939 Finnland ohne Kriegserklärung überfiel, wurde ein Monument zum Gedenken an den Winterkrieg enthüllt. Zum Unabhängigkeitstag am 6. Dezember wird es zudem vielerorts besondere Gedenkveranstaltungen an den Heldengräbern geben. 7.000 junge Männer werden dann an den Gräbern Gefallener Ehrenwache halten. ... Zurückzublicken ist natürlich. Aber es gibt besorgte Stimmen, denen zufolge Finnland auch nach 100 Jahren Selbständigkeit nicht von den Kriegen der Vergangenheit ablassen und nach vorne schauen kann.“
Es zeigt sich ein neuer finnischer Charakterzug
Wie die Menschen schon das ganze Jahr über gefeiert haben, steht im Kontrast zum am 6. Dezember üblichen Staatsakt, freut sich Keskisuomalainen:
„Zur offiziellen Unabhängigkeitsfeier hat stets die klassische Frage gehört: Was bedeutet für Sie die Unabhängigkeit Finnlands? Auf diese feierliche und gewichtige Frage wurde gewöhnlich im selben Stil geantwortet: feierlich und ernst. … Doch zur 100-Jahr-Feier Finnlands hat die Ernsthaftigkeit der Finnen erste Risse bekommen. Die Bürger haben das hundertjährige Finnland auf unterschiedlichste Arten gefeiert, Freude und das Humorvolle haben eine zentrale Rolle gespielt: ... Die Unabhängigkeit ist eine freudige Angelegenheit, das ist vor allem für die jüngeren Generationen selbstverständlich. Das mindert auch nicht die Anerkennung für die Opfer, die die Kriegsgenerationen erbringen mussten.“
Ein einmaliger Instinkt für die Gemeinschaft
Dem finnischen Gemeinsinn zollt im Kulturblatt Sirp der estnische Komponist Jüri Reinvere Tribut:
„Trotz des gegenseitigen Veräppelns, das beiderseits auch eine Menge Bewunderung beinhaltet, hätten wir viel von den Finnen zu lernen. … Die Finnen sind unübertroffen in puncto Zusammenhalt - etwas, das den Esten fast komplett fehlt. Der internationale Erfolg der Finnen in den Bereichen Kunst, Design und Architektur beruht auf ihrem Zusammenhalt. Die Finnen haben einen gesellschaftlichen Instinkt dafür, gemeinsam zu handeln und alles andere beiseite zu lassen, wenn ihnen eine gemeinsame Sache wichtig ist. ... Das gilt auch für die Politik: Sobald der Staat schwach wird, ziehen alle Finnen am gleichen Strang, damit der Staat schnell stärker wird. Und das geschieht eher aus einem Bauchgefühl heraus als auf staatliche Anordnung hin.“