Referendum in Litauen: Spaltpilz Passfrage?
Am 12. Mai entscheiden die Litauer in einem Referendum darüber, ob künftig die Vorgabe entfallen soll, dass sie sich für einen Pass entscheiden müssen, wenn sie die Staatsbürgerschaft eines anderen Landes erlangen. Eine tückische Fragestellung, finden Kommentatoren.
Misstrauische Diskriminierung
Anspruch auf doppelte Staatsbürgerschaft hätten allerdings nur die Litauer, die in ein Land ausgewandert sind, das den "Kriterien der europäischen und transatlantischen Integration" entspricht. Und da sieht Philosoph Viktoras Bachmetjevas in LRT ein Problem:
„Übersetzen wir diese Vorgabe in eine verständliche Sprache: Die Emigranten in den USA oder im Vereinigten Königreich werden die litauische Staatsbürgerschaft behalten dürfen. Diejenigen jedoch, die eine nicht so erfolgreiche Wahl getroffen haben, werden weiterhin überflüssig sein für Litauen. ... Im Grunde fürchtet man, dass die russischsprachigen Bewohner Litauens sich russische Pässe besorgen werden und dies zu einer Spielkarte in den Beziehungen beider Länder wird. Diese Denkweise resultiert aus Zweifeln an der Loyalität der Russischsprachigen unserem Staat gegenüber - doch diese sind weder durch Fakten begründet, noch moralisch vertretbar.“
Ohne Empathie hat Litauen keine Zukunft
Auch Marius Ivaškevičius, einer der bekanntesten litauischen Dramatiker, betrachtet das Referendum mit Sorge. Er erklärt auf dem Onlineportal Delfi:
„Diese Zeilen sind keine Agitation, sondern ein Versuch, zu verstehen, was hier mit uns passiert und wo die Wurzeln dieser zentrifugalen, Litauen vernichtenden Kraft liegen. Ist es Neid? Habgier? Fehlende Empathie? Dadurch, dass wir weniger werden, wird der Wert jedes einzelnen Bürgers von Litauen bestimmt nicht steigen. Nein, er wird nur weiter sinken. Vielleicht irre ich mich oder dramatisiere zu stark (das ist mein Beruf), aber ich sehe für ein abweisendes, desintegrierendes Litauen keine Zukunft. Heutzutage wachsen und erstarken nur diejenigen Völker, die fähig sind, Menschen aus anderen Völkern anzuziehen, aufzunehmen und zu integrieren.“