Belgien: Fast alle lesen das Gleiche

Flandern und Wallonien haben jeweils eigene Medien in der eigenen Sprache und auch eine eigene Medienkultur. Grob könnte man die Ergebnisse der Mediennutzungsforschung so zusammenfassen: Die französischsprachigen Belgier schauen mehr fern als die Flamen, und die Zeitungslandschaft ist dort seit jeher weniger vielfältig. Was für beide Medienlandschaften gilt: Sie sind immer stärker durch Konzentration und inhaltliche Verarmung bedroht.

"Hände weg von meiner Zeitung." - Angestellte der Tageszeitung L'Avenir protestieren im November 2018 gegen Übernahmepläne.
"Hände weg von meiner Zeitung." - Angestellte der Tageszeitung L'Avenir protestieren im November 2018 gegen Übernahmepläne.
Die flämische Medienlandschaft wird heute von den Big Five dominiert, so nennt die Medienaufsicht die fünf großen Akteure, die den Markt bestimmen. Die Aufkäufe dieser Platzhirsche bestimmten das vergangene Jahrzehnt: Als 2013 die flämischen Verlage Corelio (De Standaard, Het Nieuwsblad) und Concentra (Gazet van Antwerpen) zu Het Mediahuis fusionierten, ging eine Schockwelle durch das Land. Alle flämischen Zeitungen sind nun faktisch in der Hand zweier Konzerne: Het Mediahuis und DPG Media (früher De Persgroep mit VTM, Het Laatste Nieuws, De Morgen). Beide Verlage halten darüber hinaus große Zeitungen in den Niederlanden.

Zeitungen bleiben in belgischer Hand

Dritter großer Spieler ist der Verlagskonzern Roularta mit seinen Magazinen und Zeitschriften, der das Finanzblatt De Tijd übernahm. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk VRT und De Vijver-Media mit kommerziellen Sendern sind die übrigen starken Kräfte auf dem Medienmarkt.

Die Medienkonzentration sorgte immerhin für eine Stabilisierung des Angebots und der Titelvielfalt. Das Überleben der Zeitungen - und das in belgischer Hand - scheint auf dem begrenzten Markt vorerst sichergestellt zu sein. Die Großverlage sanierten und reorganisierten, investierten aber auch vor allem in Internet-Angebote. Dank Online-Abos steigt die Auflage der drei großen flämischen Zeitungen (De Tijd, De Standaard, De Morgen).

Inhaltliche Verarmung als Synergie-Effekt?

Doch nun geht die Konzentration immer weiter in Richtung einer inhaltlichen Verarmung. Die großen Konzerne teilen zunehmend Inhalte in ihrer eigenen Gruppe, und das nicht nur im eigenen Land. So nutzt zum Beispiel Het Mediahuis das Netzwerk der Auslandskorrespondenten seiner niederländischen Zeitungen (zum Beispiel NRC Handelsblad) für seine flämische Tageszeitung De Standaard. Und DPG Media tauscht Inhalte des niederländischen De Volkskrant mit De Morgen.

Der Konzern DPG Media, der nach eigenen Angaben acht von zehn Flamen erreicht, fügte unlängst die Nachrichtenredaktion der Boulevardzeitung Het Laatste Nieuws mit der ihres eigenen TV-Senders VTM zusammen. Inhalte könnten dadurch - so wurde erklärt - viel schneller und gezielter verteilt werden. Allerdings: Die Nachrichtenseite von VTM verschwand.

Die Machtkonzentration der Konzerne vollzog sich auch in Wallonien. Als das genossenschaftliche Telekommunikationsunternehmen Tecteo Group (heute Nethys) 2013 die regionalen Zeitungen von L'Avenir übernahm, warnten Kritiker vor einem neuen Monopol. Nun werden die Karten neu gemischt, denn Nethys will L'Avenir wieder verkaufen. Kandidaten sind die Verlagsgruppe IPM (La Libre Belgique, La Dernière Heure), Roularta und Marktführer Rossel (Le Soir).



Rangliste der Pressefreiheit (Reporter ohne Grenzen):
Platz 9 (2020)

Stand: April 2020
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