Belgien: Die Macht der Großen Fünf

Belgien ist nicht nur politisch, sondern auch medial ein geteiltes Land: Flandern und Wallonien haben jeweils eigene Medien in der eigenen Sprache, aber auch eine eigene Medienkultur.

Zeitungskiosk in Brüssel. Viele befürchten, dass in allen Zeitungen bald nur noch dasselbe steht. (© picture alliance / JOKER / Hartwig Lohmeyer)
Zeitungskiosk in Brüssel. Viele befürchten, dass in allen Zeitungen bald nur noch dasselbe steht. (© picture alliance / JOKER / Hartwig Lohmeyer)
Die Ergebnisse der Mediennutzungsforschung könnte man folgendermaßen zusammenfassen: Die französischsprachigen Belgier schauen mehr fern als die Flamen, und die Zeitungslandschaft ist dort seit jeher weniger vielfältig. Doch für beide Medienlandschaften gilt: Sie sind immer stärker durch Konzentration und inhaltliche Verarmung bedroht.

Die flämische Medienlandschaft wird von den Big Five dominiert, so nennt die Medienaufsicht die fünf großen Akteure: im Printbereich die Medienkonzerne Het Mediahuis, DPG Media und Roularta. Bei den audiovisuellen Medien De Vijver Media (Tochterunternehmen des Telekomkonzerns Telenet) und der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Alle bedeutenden flämischen Zeitungen sind faktisch in der Hand zweier Konzerne: Het Mediahuis (u. a. De Standaard, Gazet van Antwerpen) und DPG Media (u. a. der TV-Sender VTM, Het Laatste Nieuws, De Morgen). Beide Verlage halten darüber hinaus mehr als 90 Prozent des Zeitungsmarktes im Nachbarland Niederlande (u. a. gehören NRC und De Telegraaf zur Mediahuis-Gruppe, De Volkskrant zu DPG).

Eine Medienkonzentration vollzog sich auch in Wallonien. Marktführer im französischsprachigen Landesteil ist die Rossel-Gruppe (u. a. Le Soir). Die IPM-Gruppe (La Libre Belgique, La Dernière Heure) verfestigte ihren zweiten Platz 2021 durch den Kauf der regionalen Zeitungen von L'Avenir im Jahr 2020. 2021 dann übernahmen Rossel und DPG Media den in Wallonien führenden kommerziellen Rundfunkbetreiber RTL Belgien und die dazugehörenden TV-Sender. Das ist nicht nur eine Verstärkung ihrer Position bei den audiovisuellen Medien. Für DPG bedeutet das zusätzlich einen neuen starken Pfeiler im Süden des Landes.

An die deutschsprachige Minderheit richtet sich neben dem öffentlich-rechtlichen Belgischen Rundfunk als einzige Tageszeitung das in Eupen erscheinende Grenz-Echo.

Zeitungen bleiben in belgischer Hand

Die Medienkonzentration sorgte immerhin für eine Stabilisierung des Angebots. Das Überleben der Zeitungen - und das in belgischer Hand - scheint sichergestellt zu sein. Die Großverlage sanierten, reorganisierten und investierten vor allem auch in die Internet-Angebote. Dank der Online-Abos steigt die Auflage der drei großen flämischen Zeitungen (De Tijd, De Standaard, De Morgen). Die großen Verlage erzielen auch durch ihre internationalen Investitionen hohe Gewinne, doch die regionalen und lokalen Medien haben es schwer.

Inhaltliche Verarmung als Synergie-Effekt?

Die Sorge aber ist, dass die Konzentration auch zu einer inhaltlichen Verarmung führt und zu einem Verlust des Profils. Die Großverlage teilen nämlich zunehmend Inhalte der eigenen Gruppe, und das nicht nur im eigenen Land. So nutzt zum Beispiel Het Mediahuis das Netzwerk der Auslandskorrespondenten seiner niederländischen Zeitungen (NRC Handelsblad) für seine flämische Tageszeitung De Standaard. Und DPG Media tauscht Inhalte des niederländischen De Volkskrant mit De Morgen.

DPG Media, das nach eigenen Angaben acht von zehn Flamen erreicht, legte die Nachrichtenredaktion der Boulevardzeitung Het Laatste Nieuws mit der ihres eigenen TV-Senders VTM zusammen. Inhalte könnten dadurch – so wurde erklärt – viel schneller und gezielter verteilt werden. Allerdings: Die Nachrichtenseite von VTM verschwand.

Die größeren überregionalen Blätter profitieren, stellte die Medienaufsichtsbehörde fest. DPG und Mediahuis gelingt es auch, gegen die finanzielle Macht von Google und Facebook auf dem Anzeigenmarkt eine starke Front zu bilden. Gleichzeitig bedroht die Medienkonzentration kleinere und regionale Medien. Sie büßten in den vergangenen Jahren deutlich an Profil ein und mussten lokale Ausgaben einstellen.


Rangliste der Pressefreiheit (Reporter ohne Grenzen):
Platz 23 (2022)

Stand: April 2023
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