Schweden und Dänemark machen dicht
Nachdem Schweden seit Montag die Pässe aller Einreisenden aus Dänemark kontrolliert, hat auch Kopenhagen Kontrollen an der Grenze zu Deutschland eingeführt. Beide Länder wollen so die Zahl der ankommenden Flüchtlinge reduzieren. Das oft heraufbeschworene Ende von Schengen wird 2016 Wirklichkeit, prophezeien einige Kommentatoren. Andere glauben, dass Nordeuropa nur den schwachen Süden aus Schengen herausdrängen will.
2016 könnte Schengen Geschichte werden
Die Warnung vor dem Scheitern Europas ist längst nicht mehr nur ein Ausdruck von Sorge, stellt der Journalist Eric Bonse in seinem Blog Lost in EUrope fest: "Sie ist auch ein Mittel der Politik - um Druck auszuüben und nationale Interessen durchzusetzen. Besonders beliebt ist derzeit die Warnung vor einem Ende des Schengen-Raums und der Reisefreiheit in Europa, die zur größten Errungenschaft der europäischen Einigung hochstilisiert wird. Vor allem Merkel nutzt die Schengen-Keule, um Griechen und Osteuropäer zu mehr Einsatz in der Flüchtlingskrise zu bewegen, allerdings mit mäßigem Erfolg. Beim letzten EU-Gipfel Mitte Dezember hat sich gezeigt, dass weder die 'Verweigerer' in Osteuropa noch Merkels 'Koalition der Willigen', die sich neuerdings in einer Extrarunde trifft, vorankommen. Merkel muss nun aufpassen, dass ihre Warnung nicht zur 'Self fulfilling prophecy' wird. ... 2016 könnte das Jahr werden, indem sich die Grenzen schließen."
Dominoeffekt ist noch vermeidbar
Die Kontrollen an der dänisch-schwedischen Grenze müssen nicht zwangsläufig zu einem Ende von Schengen, sondern könnten auch zu mehr Zusammenarbeit in der Flüchtlingspolitik führen, meint die liberale Tageszeitung Dagens Nyheter: "Zwei Szenarien erscheinen aktuell denkbar: In dem einen wird das Schengen-System schrittweise abgebaut, werden die gemeinsamen Regeln aufgehoben und die Grenzen in Europa geschlossen. Im anderen Szenario führt die Krise dazu, dass die EU-Länder eine gemeinsame Struktur für die Einwanderung von Flüchtlingen errichten. Die Ereignisse vom Montag können eines dieser Szenarien auslösen. Das Risiko, dass es zu einem Dominoeffekt mit geschlossenen Grenzen kommt, ist hoch, doch es muss dazu nicht kommen. Es kann auch sein, dass die EU letztendlich dazu gezwungen sein wird, den Umverteilungsmechanismus umzusetzen, der im letzten Jahr skizziert wurde, und so genannte Hotspots an den Außengrenzen der Union einzurichten."
Norden will Süden ausschließen
Die Grenzkontrollen im Norden Europas sind der erste Schritt hin zu einem neuen Schengenraum, fürchtet die linksliberale Tageszeitung La Repubblica: "Man könnte angesichts der Passkontrollen auf der Brücke über den Öresund meinen, die Schwachstelle der Gemeinschaftssolidarität liege diesmal bei den reichen und fortschrittlichen Ländern Nordeuropas, und nicht im 'weichen Unterleib' des Kontinents. ... Leider ist dem nicht so. Denn vom Baltikum aus gesehen ist das Problem Europas wieder einmal Griechenland und zum Teil Italien. Athen wird angekreidet, dem Migrantenfluss, der über die Ägäis kommt, keinen Einhalt zu gebieten. Sollte sich aber das Prinzip durchsetzen, dass die Schuld der Situation bei den Ländern der ersten Ankunft liegt, dann besteht die Gefahr, dass man ein Schengen aufbaut, aus dem diese Länder ausgeschlossen sind. Diese Idee des reduzierten Schengenraums ist bereits offen in Erwägung gezogen worden und zwar von der niederländischen Regierung, die am 1. Januar die EU Ratspräsidentschaft übernommen hat."
Außengrenzen schützen statt Schengen aufgeben
Die Wiedereinführung von Grenzkontrollen könnte nach hinten losgehen, warnt der Direktor des Centre for European Policy Studies, Daniel Gros, in der wirtschaftsliberalen Wochenzeitung Finanz und Wirtschaft: "Statt den Europäern Sicherheit zu geben, würde die Abkehr von Schengen den Kampf gegen den Terrorismus sogar erschweren, da die Länder dann wertvolle Ressourcen - schlimmstenfalls Tausende von Polizeibeamten - zur Ausweiskontrolle an die Grenzen verlagern müssten. Diese Ressourcen könnten dann nicht mehr zur Vorbeugung gegen terroristische Aktivitäten eingesetzt werden. ... Was der Schengen-Raum braucht, ist eine richtige europäische Küstenwache mit eigenem Budget, eigenen Schiffen und eigenem Personal. Aufgrund illegaler Einwanderung und seiner Nähe zu terroristischen Ausbildungslagern wird der Mittelmeerraum in naher Zukunft wahrscheinlich weiterhin das Hauptsicherheitsproblem darstellen. Deshalb sollte die neue, durch EU-Gelder unterstützte Küstenwache hier beginnen."