Mays Hilferuf an die Opposition
Großbritanniens Premierministerin Theresa May hat in einer Grundsatzrede die oppositionelle Labour-Partei dazu aufgerufen, ihre Regierung bei der Umsetzung des EU-Austritts zu unterstützen. Kommentatoren kritisieren Mays Rede und fragen sich, wie ernst sie ihr Kooperationsangebot wirklich meint.
Nicht mehr als ein taktisches Manöver
Ihr Angebot einer Kooperation mit Labour könnte Mays letzte Chance sein, glaubt der Deutschlandfunk:
„May hat spät entdeckt, dass sie Verbündete braucht. Mit etlichen scharfen Reden in der Vergangenheit hat sie viel Porzellan zerschlagen. Sie wollte sich bei den Brexit-Hardlinern anbiedern, die mit ihr eine ehemalige Remainerin aufs Schild gehoben hatten. Auch innerhalb der eigenen Partei aber hat sie sich abgekapselt. ... Die Premierministerin ist seit der Wahl angezählt, nicht wenige haben sie abgeschrieben. Wenn sie es wirklich ernst mit ihrer Geste zur Kooperation meint, dann kann sie sich vielleicht im Amt halten. Nach all der Vorgeschichte ist ihr Angebot aber vermutlich doch nur ein taktisches Manöver - und leider nicht mehr.“
May fällt mit Neustart auf die Nase
Für die Irish Times dagegen streckt May die Hand vergeblich in Richtung Labour aus:
„Die Lorbeeren, die sie für ihren versöhnlichen Ton erntet, dürften durch den Ärger über ihr Angebot in der eigenen Partei schnell aufgebraucht sein. Ihrem Publikum muss man es verzeihen, wenn es sich fragt, ob die Konservativen die Ideen anderer wollen, weil sie selbst keine guten haben. Der problematischste Aspekt von Mays Rede war aber ihr Beharren darauf, dass der Brexit Großbritannien besser machen kann. Anstatt den Wählern die bevorstehenden Mühen klarzumachen und zu argumentieren, dass sich diese auf lange Sicht vielleicht lohnen, besteht May auf der Illusion, dass die Briten 'die Chancen ergreifen' und 'das Versprechen des Brexit gemeinsam erfüllen können'. Indem sie so handelt, hilft sie sicherzustellen, dass selbst ein weicher Brexit ihr Volk hart treffen wird.“
Eine angeschlagene Premierministerin
Das EU-Parlament hat gedroht, den Brexit-Deal zu blockieren, wenn Großbritannien die Rechte von EU-Bürgern nicht garantiert. Dies setzt die Premierministerin zusätzlich unter Druck, analysiert De Standaard:
„Der Brief kommt für Theresa May zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Sie hat im eigenen Land wieder eine wichtige Brexit-Woche vor sich. Donnerstag soll sie im Unterhaus das Repeal Bill einbringen. Das vorgeschlagene Gesetz ist der Beginn eines langwierigen Prozesses, bei dem London alle europäischen Gesetze in britische umsetzen soll. Dazu braucht sie breite Unterstützung im Parlament. Und die hat sie zurzeit nicht. Darum reicht sie der Opposition die Hand. ... Aber gerade die Befürworter des harten Brexit wollen so eine Zusammenarbeit absolut nicht. ... Und so wird die Stellung der Premierministerin täglich schwächer.“
May bettelt bei Labour um Hilfe
Dass Theresa May Labour um Unterstützung beim Brexit gebeten hat, zeigt, wie geschwächt sie ist, analysiert De Volkskrant:
„Indem sie auf eine Koalition der nationalen Einheit zusteuert - die gab es zuletzt im Zweiten Weltkrieg - zeigt May ein ganz neues Gesicht. Vor der Wahl hatte sie noch drohend von Saboteuren gesprochen, die versuchten, den Brexit zu verhindern. ... Mays Angebot wird ihre Position sicher nicht stärken. ... Im Hintergrund munkelt man von einem Kamikaze-Akt harter Brexiteers. ... Diese würden Neuwahlen anstreben in der Annahme, dass eine Regierung Corbyn nicht lange durchhalten kann und es genau wie in den 1970er Jahren zu einer rechten Konterrevolution kommen wird.“
Ein Geschwür am Hintern Europas
Eine desaströse Bilanz zieht The Independent ein Jahr nach Mays Amtsantritt:
„In dieser kurzen Zeitspanne hat sie sich den Titel 'schlimmster Premier des 21. Jahrhunderts' gesichert. … Ihre Entscheidungen auf dem G20-Gipfel sprechen Bände. Während andere Führungsnationen Präsident Donald Trump für seinen Rückzug aus dem Pariser Klimaabkommen kritisierten, entschied May, dass die größte Gefahr für die Menschheit 'keine Priorität' habe. … Nach all ihren Worten zu generationsübergreifender Gerechtigkeit hat sie die Zukunft der Kinder dieser Nation in die Flammen des politischen Opportunismus geworfen, um sich beim Biest aus dem Weißen Haus anzubiedern. Großbritannien scheint unter May dazu verdammt, ein wütendes, dreckiges Geschwür am Hintern Europas zu werden.“