Berlin und Brüssel als Feindbilder in Polen
Im Streit um Polens umstrittene Justizreform fordern viele Stimmen in den anderen EU-Ländern eine harte Gangart und Sanktionen gegen Warschau. In Polen selbst schüren diese Forderungen eine antieuropäische und antideutsche Stimmung. So berichten PiS-nahe Medien, dass Deutschland die Proteste der vergangenen Wochen finanziert hätte. Kommentatoren analysieren das Image von Berlin und Brüssel in Polen.
Antideutsche Rhetorik hat Erfolg
Gazeta Wyborcza glaubt, dass die PiS bewusst gegen Deutschland und die EU zu hetzen versucht:
„Antideutsche Rhetorik gab es immer in der PiS. Unter anderem durch sie hat die Partei die Wahl im Jahr 2005 gewonnen, damals bewies sie, dass der Großvater des [damaligen] Parteichefs der PO Donald Tusk in der Wehrmacht war. Jarosław Kaczyński hat damals zu überzeugen versucht, dass Stettin eine polnische Stadt ist, obwohl das niemand in Frage gestellt hat. Diesmal ist die Absicht eine andere. Die Medien der PiS wollen deren Wählerschaft auf einen Konflikt mit der EU vorbereiten. Sie versuchen zu zeigen, dass die Deutschen hinter Sanktionen der Europäischen Kommission stehen, die vielleicht bald auf Polen zukommen. Und dass die Proteste gegen die Aufhebung der Unabhängigkeit der Gerichte sowie jegliche Organisation, die gegen die PiS handelt, von Berlin aus finanziert werden.“
Drohungen machen PiS nur stärker
Auch The Guardian glaubt, dass die Regierung in Warschau einen Konflikt mit den anderen EU-Staaten für sich zu nutzen weiß:
„Liberale und Progressive machen einen großen Fehler, wenn sie glauben, bei Unterstützern der Regierungspartei PiS Scham- und Schuldgefühle erzeugen zu können, indem sie diese davor warnen, dass Polen im Westen an Einfluss und Ansehen verlieren könnte. Tatsächlich machen sie die PiS damit nur stärker. ... Die meisten Menschen gehen ohnehin nicht wählen. Ein neuer Konflikt zwischen Anhängern einer vertieften EU-Integration einerseits und Europakritikern andererseits könnte sie jedoch zum Wählen motivieren. ... Die angedrohten EU-Sanktionen werden die polnische Gesellschaft vermutlich weiter spalten. Der Effekt wäre ähnlich wie jener im Brexit- und im Trump-Wahlkampf.“
Deutschland hat kein Recht, Polen zu kritisieren
Empört über die Einmischung von Brüssel und Berlin zeigt sich das regierungsnahe Nachrichtenportal Wpolityce.pl:
„Die aufdringlichen, immer aggressiveren und feindseligen Versuche der Brüsseler Bürokraten, Druck auf Polen auszuüben, führen zu nichts. Denn der Angriff mithilfe vorgeschobener Argumente ist so viel wert wie die politischen Hooligans aus Brüssel. ... Ebenso widerlich ist die Teilnahme deutscher Vertreter an diesem politischen Überfall. Sie sind die letzten, die ein Recht haben, uns zur Einhaltung irgendwelcher Regeln zu ermahnen. Wenn uns nicht die deutschen Horden gemeinsam mit den Moskauer Banditen im Jahr 1939 überfallen hätten, wären wir heute sicher ein sehr wohlhabender und prosperierender Staat.“