Automogul Carlos Ghosn stürzt von seinem Sockel
In Japan ist am Montag Carlos Ghosn verhaftet worden, einer der schillerndsten Manager der Automobilbranche und Chef der Allianz von Renault, Nissan und Mitsubishi. Ihm werden Veruntreuung und eine zu niedrige Deklarierung seines Einkommens gegenüber der japanischen Börse vorgeworfen. Ghosn fällt tief, da sind sich die Beobachter einig.
Noch ein Mann mit viel zu viel Macht
Mit einem unrühmlichen Abgang des Automoguls musste man irgendwie rechnen, findet Jornal de Negócios:
„Die Festnahme von Carlos Ghosn ist die Folge einer Praxis, mit der so viele Unternehmensskandale der letzten Jahre begründet werden können: zu viel Macht in den Händen eines einzelnen Mannes kann nur mangelnde Transparenz zur Folge haben. ... Ghosns Einfluss als Lenker des Konzerngebildes Renault-Nissan-Mitsubishi war so groß, dass seine Entlassung sogar eine denkbare Fusion zwischen den Automobilherstellern in die Ferne rücken lässt - wie die Verunsicherung an der Börse (wo die Aktien von Renault und Nissan in den Keller rutschten ) deutlich gezeigt hat. ... Die Frage, die man sich stellen muss, lautet: Wie kann es sein, dass ein einzelner Mann drei Giganten der Automobilindustrie derart bedrohen kann?“
Ghosn schuldet uns Aufrichtigkeit
Dass der Manager sich schnellstmöglich erklären wird, hofft Le Figaro:
„Carlos Ghosn ist einer der respektiertesten Firmenbosse der Welt. Nicht ohne Grund. Nachdem er Nissan vor der Pleite gerettet hat, hat er in zwei Jahrzehnten um die Partnerschaft mit Renault herum den größten Automobilkonzern der Welt aufgebaut, größer als Toyota und Volkswagen. Er ist auch Vorreiter beim Thema Elektroauto, das dabei ist, zum Automobil der Zukunft zu werden. Carlos Imperator steht auf einem Sockel und deshalb ist er verpflichtet, moralisch beispielhaft zu sein. ... Es gäbe keine Entschuldigung für das Fehlverhalten, das man Carlos Ghosn vorwirft, wenn es denn existiert. Es ist an ihm, schnell auf die schweren Anschuldigungen zu antworten.“
Das riecht nach einer Intrige
Von Kommersant befragte Branchenexperten vermuten hinter der Festnahme des Firmenchefs mehr als nur einen einfachen Fall illegaler Bereicherung:
„Hinter dem Skandal kann der Wunsch stehen, Ghosn von seinem Posten zu verdrängen, so Iswestija-Autoredakteur Jewgeni Bagdasarow: 'Ghosn ist ein Titan, der sich auf seinem Thron festgesessen hatte. Womöglich wollen ihn auf diese Weise irgendwelche Gruppen im Top-Management loswerden, um jemand anderen auf seinen Platz zu setzen'. ... [Und] der Chefredakteur der Autorevue, Leonid Golowanow meint: … 'Ich gehe davon aus, dass der wahre Grund für die Festnahme Ghosns nicht diese eher lächerlichen Summen an vertuschten Einnahmen waren, sondern etwas Tiefergehendes. Noch kennen wir die Wahrheit nicht, aber sie kommt bestimmt heraus.'“