Lagarde an der EZB-Spitze - eine gute Wahl?
Die Nominierung von IWF-Chefin Christine Lagarde als Präsidentin der EZB hat auf den europäischen Aktienmärkten die Kurse steigen lassen. Denn allgemein wird erwartet, dass die frühere französische Finanzministerin den Kurs des billigen Geldes ihres Vorgängers Mario Draghi weiterführen wird - was nicht allen Beobachtern gefällt.
Die Schuldenländer können sich freuen
Gar nicht froh mit der Nominierung ist die Tageszeitung Die Welt, denn Lagarde steht für einen Kurs, der eher Schuldenländern zugutekommt:
„Seit Jahren schon drängt Lagarde die deutsche Bundesregierung dazu, mehr Schulden zu machen. Diese Sichtweise hat sich im einst so konservativen IWF durchgesetzt, seit die profilierte Französin an die Spitze gerückt war. In der Griechenland-Krise drängte sie auf Schuldenerlass - wiederum sehr zum Ärger der Bundesregierung. ... Weidmann an der EZB-Spitze hätte sicher keinen radikalen Kurswechsel eingeleitet. Aber schon bei einer graduellen Änderung hätten sich die Märkte und Regierungen darauf einstellen müssen, dass die irrwitzige Party irgendwann zu Ende geht. Nun wird weitergefeiert - bis es knallt.“
Draghis Vermächtnis wird bewahrt
Dass die bisherige EZB-Politik so fortgeführt wird, glaubt auch Financial Times:
„Sie erfüllt das wichtigste Kriterium für einen neuen EZB-Präsidenten: Sie wird das Vermächtnis ihres Vorgängers bewahren. Mario Draghi setzte sich durch gegen die Spekulationen der Märkte, dass der Euro auseinanderbrechen würde, er überarbeitete das Abwehrsystem der Zentralbank für eine Ära nach der Krise mit hartnäckig niedrigen Zinsen. Ohne Frage wird Lagarde in einer Krise ebenfalls nach dem Motto 'whatever it takes' handeln. Sie hat beim IMF Erfolg gehabt. ... Aber die EZB ist nicht der IMF. Hier ist technische Expertise wichtiger: um mit den Märkten zu kommunizieren, um die richtigen politischen Leitlinien zu finden und - das ist entscheidend - um die anderen EZB-Entscheidungsträger hinter dem von ihr gesetzten Kurs zu versammeln.“
Erfahrung in der Brandbekämpfung
Das nötige Zeug zur Krisenmanagerin hat Christine Lagarde jedenfalls, bemerkt Rzeczpospolita:
„Lagarde, laut Forbes-Ranking die dritteinflussreichste Frau der Welt, hat durch die Krisen in Griechenland und Zypern Erfahrung darin, Brände zu löschen. Das könnte ihr helfen, wenn die Finanzwelt - wir klopfen aufs Holz - wieder einmal in Flammen aufgeht. Im Gegensatz zu Mario Draghi, erfahrener Zentralbanker und Professor für Wirtschaftswissenschaften, muss sie sich allerdings auf Experten verlassen, bevor sie das richtige Löschmittel wählt. Die Eurozone ist zwar ein Riese, der aber nur auf einem Bein steht - der EZB. Für den vom Nobelpreisträger Robert Mundell beschriebenen optimalen Währungsraum fehlt das zweite Bein: ein Budget, das die Vermeidung von Krisen erleichtert.“
Europa steht und fällt mit Lagarde
Dass Christine Lagarde als EZB-Präsidentin sogar die Schlüssel zum Erfolg des gesamten europäischen Projekts in der Hand halten wird, glaubt Volkswirtschaftler Nicolas Goetzmann in Figaro:
„Das politische Gewicht von Lagarde erschwert es den Regierungen der Eurozone, sie unter Druck zu setzen. Wahrscheinlich wird Christine Lagarde DAS Gesicht Europas werden, denn sie ist bekannt, und das achtjährige Mandat, das sie nun antritt, ist von Unabhängigkeit geprägt. Das kann zweierlei Konsequenzen haben, und genau diese Unsicherheit ist heute das Interessante. Christine Lagarde könnte das europäische Projekt zerstören, wenn sie schlechte Entscheidungen trifft. Sie kann es aber auch zu einem realistischen, nachhaltigen und leistungsstarken Projekt machen. Die Würfel sind noch nicht gefallen.“