Sofia: Journalist zieht in die große Politik
Ende Oktober finden in Bulgarien Kommunalwahlen statt. Die Gerb-Partei von Ex-Premier Bojko Borissow hat überraschend den Chef der Nachrichtenredaktion des Fernsehsenders bTV, Anton Hekimyan, als Bürgermeister-Kandidaten für die Hauptstadt Sofia aufgestellt. Das hat Konsequenzen für das Ansehen des Journalismus insgesamt, befürchtet die bulgarische Presse.
Hofberichterstattung hoch zwei
Dnevnik beklagt eine ungesunde Verflechtung von Macht und Medien:
„Eine so starke politische Position wie die eines Bürgermeisterkandidaten für Sofia wird nicht einem zufälligen Bekannten anvertraut, geschweige denn einem unabhängigen Journalisten. Sie erfordert ein hohes Maß an Parteiloyalität, die man sich über Jahre hinweg erarbeitet haben muss. Sowohl Borissow als auch Hekimyan haben sich diese Nähe im Laufe der Jahre offensichtlich erarbeitet. ... Anton Hekimyans Wechsel von den bTV-Nachrichten ins Gerb-Hauptquartier, das sich ironischerweise im gleichen Gebäude, befindet, beleuchtet die anhaltende Verwischung der Grenzen zwischen Medien und Macht in Bulgarien. Wenn diese Grenze verwischt ist, bleibt nur noch die Macht übrig. Die Medien bleiben auf der Strecke.“
Vertrauen in die Medien zerstört
Borissow hat einen weiteren Nagel in den Sarg des bulgarischen Journalismus geschlagen, klagt der bulgarische Dienst der Deutschen Welle:
„Wir alle werden den Preis dafür zahlen. Zuerst unsere Kollegen beim Fernsehsender bTV, dann die Gilde und schließlich die gesamte Gesellschaft. ... Borissow will uns daran erinnern, dass er immer noch die Zügel in der Hand hält. Dass er derjenige ist, an den sich der Chef der größten Nachrichtenredaktion Bulgariens wenden kann, wenn er Hilfe braucht und seine Tage im Journalismus gezählt sind. ... Die Nominierung Hekimyans zeigt, dass man Journalisten nicht vertrauen kann, denn wer weiß schon, mit welchem Politiker sie über einen Posten verhandeln?“