Bulgarien: Drohungen, Gewalt und Unsicherheit

Die Medien in Bulgarien sind stark fragmentiert und arbeiten unter wirtschaftlich und rechtlich unsicheren Bedingungen. Einschüchterung und Kontrolle durch mächtige Geschäftsleute und politische Parteien sind weit verbreitet.

Bojko Borissow, mehrfacher bulgarischer Premier und Anführer der konservativen Gerb-Partei, 2021 vor Pressemikrofonen. (© picture alliance / AA / Borislav Troshev)
Bojko Borissow, mehrfacher bulgarischer Premier und Anführer der konservativen Gerb-Partei, 2021 vor Pressemikrofonen. (© picture alliance / AA / Borislav Troshev)
Einige wenige Geschäftsleute kontrollieren einen Großteil der Medien in Bulgarien und beeinflussen die redaktionelle Ausrichtung in enger Abstimmung mit führenden Politikern. Unter dem langjährigen Premier Bojko Borissow sicherte sich die Regierung eine loyale Medienberichterstattung über staatliche, hauptsächlich aus EU-Mitteln finanzierte Zuschüsse. Recherchen zu sensiblen Themen wie Korruption sind unter diesen Rahmenbedingungen selten.

Zwar ist Bulgarien im World Press Freedom Index von Reporter ohne Grenzen zuletzt von Platz 111 (2020) auf Platz 71 (2023) deutlich aufgestiegen. Mit tatsächlichen materiellen Verbesserungen für die Arbeitsbedingungen bulgarischer Journalisten kann dies jedoch nicht erklärt werden. Eher im Gegenteil: Angriffe auf Journalisten, fehlender Rechtsschutz für die Pressefreiheit und Vorwürfe über Korruption im Mediensektor werfen weiterhin Fragen zur Medienfreiheit auf und gehören zu den Hauptgründen für die nach wie vor schlechte Platzierung.

Ein konkretes Beispiel ist der Fall des investigativen Fernsehjournalisten Viktor Nikolajew vom Privatsender NOVA TV, der 2020 vor seinem Zuhause tätlich angegriffen wurde. Bereits 2017 hatte die Europäische Journalisten Föderation EJF Besorgnis geäußert, nachdem Vizepremier Waleri Simeonow live im Fernsehen gedroht hatte, Nikolajew würde seinen Job verlieren, wenn er nicht aufhöre, Fragen zum Kauf neuer Militärflugzeuge zu stellen. Solche Angriffe, zusammen mit der weit verbreiteten Einschüchterung und Zensur, tragen zu einer Atmosphäre der Angst und Selbstzensur bei.

Medien als Vehikel der Politik
Die Nähe meinungsbildender Medien zur Politik ist unverkennbar. So stellte die Gerb-Partei von Ex-Premier Borissow im September 2023 überraschend den Chef der Nachrichtenredaktion des führenden Fernsehsenders bTV, Anton Hekimyan, als Bürgermeisterkandidaten für die Hauptstadt Sofia auf. Ihm waren bereits zuvor eine politische Nähe zu Gerb und eine unkritische Berichterstattung über die Partei vorgeworfen worden.

Die Situation der bulgarischen Medien und Journalisten hat sich auch infolge des Mangels an Transparenz bei der Medienfinanzierung verschlechtert. Es fehlen klare Regeln, die eine gerechte und transparente Verteilung von staatlichen Werbeaufträgen sowie EU-Fördermitteln an die Medien des gesamten politischen Spektrums gewährleisten.

Ein kleiner Lichtblick sind die digitalen Medien: Sie erleben einen Aufschwung, da mittlerweile fast 70 Prozent der Bevölkerung Zugang zum Internet haben, und sie berichten tendenziell kritischer. Zum Beispiel verbreitete das Nachrichtenportal Bivol.bg investigative Recherchen über Korruption unter Verwendung von Datenleaks.

Auch wirtschaftlich in der Krise
Über die Jahrzehnte betrachtet hat sich Bulgariens Medienlandschaft zum Negativen entwickelt. In den stark politisierten Jahren nach der Wende ist eine nie dagewesene Medienpluralität entstanden. Die starke Nachfrage nach unabhängigem Journalismus nach jahrzehntelanger Unterdrückung der Medienfreiheit durch die Kommunisten (1944-1989) begünstigte die Entstehung zahlreicher Printmedien. Doch wegen sinkender Werbeeinnahmen können sich die meisten Zeitungen kaum noch selbst finanzieren. Sie sind auf Geldgeber angewiesen.

Während die ersten unabhängigen Tageszeitungen 24 Chasa und Trud immer noch als Leitmedien gelten, fristet die Tageszeitung Duma als Nachfolger der ehemals kommunistischen Presse heute ein Schattendasein. Die Wochenzeitung Kapital und die Tageszeitung Kapital Daily gelten als anspruchsvolle Medien, die sich an eine gebildete sowie politisch und wirtschaftlich interessierte Leserschaft richten.

Die Blogger tummeln sich inzwischen auf Facebook
Mit der zunehmenden Bedeutung des Internets entstanden rund um die Jahrtausendwende zahlreiche Online- und Nachrichtenportale mit großer Reichweite wie News.bg und Dnevnik.bg. Blogs finden hingegen kaum Beachtung, da die meisten Blogger in die sozialen Medien abgewandert sind. Statt in selbstbetriebenen Blogs veröffentlichen sie ihre Texte meist auf Facebook.

Das Modell der Instrumentalisierung von Medien durch ihre Besitzer hat seit dem Verkauf des Privatsenders Nova Televizija an den Oligarchen Kiril Domustschiew auch die Fernsehlandschaft erreicht. Kurz nachdem der Sender im Jahr 2019 von der tschechischen PPF Group an die Advance Media Group von Domustschiew überging, kam es zu einer Entlassungswelle. Bekannte Investigativreporter wie Miroluba Benatowa, Genka Schikerowa und Marin Nikolow, die sich durch regierungskritische Berichterstattung und zahlreiche Enthüllungsreportagen einen Namen gemacht hatten, verloren ohne Angabe von Gründen ihre Jobs. Seit Januar 2021 gehört Nova TV der United Group, einem auf Südosteuropa fokussierten Telekommunikations- und Medienunternehmen mit Sitz in den Niederlanden.

Der private Konkurrenzsender bTV befindet sich seit seiner Gründung im Jahr 2000 in ausländischer Hand. Aktuell gehört bTV zu Central European Media Enterprises (CME), einem Medienkonzern, der TV- und Rundfunksender in sechs europäischen Staaten besitzt.

Die öffentlich-rechtlichen Fernsehkanäle BNT1, BNT2 und BNT HD haben zwar weiterhin einen starken Einfluss auf die Meinungsbildung, ohne internationale Unterhaltungsformate erreichen sie jedoch weniger Zuschauer als die Privatsender. Der bulgarische nationale Hörfunk und das private Darik Radio sind die einzigen überregionalen Sender mit überwiegendem Wortanteil.


Rangliste der Pressefreiheit (Reporter ohne Grenzen): Platz 71 (2023)

Zuletzt aktualisiert: Januar 2024
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