Griechenland: Medienfreiheit und unabhängiger Journalismus in desolatem Zustand

Bei der Pressefreiheit liegt Griechenland abgeschlagen auf dem letzten Platz in der EU, die Sicherheit von Journalisten ist nicht gewährleistet. Im Zentrum der Kritik: die konservative Regierung.

Zeitungsstand in Athen. (© picture alliance / Anadolu / Ayhan Mehmet)
Zeitungsstand in Athen. (© picture alliance / Anadolu / Ayhan Mehmet)
Seit 2019 ist Kyriakos Mitsotakis griechischer Premierminister. In seine bisherige Amtszeit fielen gleich mehrere kontroverse medienpolitische Maßnahmen: Während der Covid-19-Pandemie verteilte die Regierung Fördermittel in Höhe von insgesamt fast 20 Millionen Euro an Medienunternehmen als Unterstützung für die Verbreitung und Erläuterung von Gesundheitsmaßnahmen. An wen und nach welchen Kriterien die Gelder vergeben wurden, blieb jedoch im Dunkeln. Erst auf Druck der Opposition wurden die Empfänger und Summen veröffentlicht. Die sogenannte Petsas-Liste, benannt nach dem damaligen Regierungssprecher Stelios Petsas, zeigte, dass regierungsnahe Medien viel mehr Geld erhalten hatten als reichweitenstarke unabhängige Publikationen. An Medien, die als regierungskritisch gelten, wurde nur rund ein Prozent der Fördersumme ausgezahlt, das Investigativportal Documento ging sogar ganz leer aus. Hingegen profitierten über 200 Onlinemedien, die nicht im nationalen Register verzeichnet waren, darunter unbekannte Blogs und Portale, deren Webseiten inaktive oder nicht erreichbar waren.
Im November 2021 änderte die Regierung die strafrechtlichen Bestimmungen zur Bekämpfung von Fake News. Die Neufassung macht die Verbreitung von Falschnachrichten zum Offizialdelikt. Medienrechtler und der Journalistenverband ESIEA kritisieren, die Bestimmung sei so vage formuliert, dass sie einer willkürlichen Unterbindung missliebiger Berichterstattung Tür und Tor öffne.

Außerdem stehen Vorwürfe staatlicher Überwachung von Medienschaffenden im Raum. Im Herbst 2022 wurde bekannt, dass drei Journalisten ausspioniert worden waren, die zum griechischen Abhörskandal recherchiert hatten. Diese Überwachung gab die Regierung zu. Den Vorwurf, Politiker, Medienschaffende und weitere Personen mit der illegalen Spionagesoftware Predator abgehört zu haben, bestreitet sie weiterhin. Medienberichte konnten jedoch Geschäftsbeziehungen zwischen Grigoris Dimitriadis, Büroleiter und Neffe von Premier Mitsotakis, und dem Vertreiber der Spähsoftware nachweisen, worauf Dimitriadis zurücktrat. Ein Wirtschaftsjournalist wurde sogar doppelt überwacht: mit Predator und vom griechischen Geheimdienst.

Auch der Mord am Kriminalreporter Giorgos Karaivaz im April 2021 steht für die negative Entwicklung der Pressefreiheit in Griechenland. Karaivaz hatte sich als Investigativjournalist auf das organisierte Verbrechen und dessen Verbindungen in die Politik spezialisiert und auch über Korruption innerhalb der Polizei berichtet. Der Europäische Journalistenverband stellte fest, dass die Ermittlungen entgegen den Versprechungen der Behörden sehr langsam voranschreiten und es an grundlegender Transparenz mangelt. Erst im Mai 2023 wurden zwei Verdächtige im Zusammenhang mit dem Mord festgenommen.

In Griechenland ist zudem eine wachsende Anzahl sogenannter SLAPPs zu beobachten: strategische Klagen gegen investigative Journalisten, die Unternehmen oder Politiker kritisieren. Medien und ihre Angestellten werden außerdem regelmäßig von Extremisten, aber auch von der Polizei, gewaltsam angegriffen oder an der Ausübung ihrer Arbeit gehindert, beispielsweise, wenn sie von Demonstrationen, über Korruption oder über Themen im Zusammenhang mit der Migrationsbewegungen an der griechischen EU-Außengrenze berichten. Das Generalsekretariat für Kommunikation und Information des Regierungspräsidiums reagierte 2022 mit der Gründung einer Task Force, die die Position von Journalisten und anderen Medienschaffenden schützen, sichern und stärken soll.
Der griechische Zeitungsmarkt ist durch die lang anhaltende Finanzkrise besonders schwer getroffen worden: Durch die Corona-Krise sind die ohnehin schon niedrigen Verkaufszahlen noch weiter gesunken und liegen jetzt bei fast allen Tageszeitungen in einem existenzbedrohenden Bereich, nur bei den Sonntagszeitungen ist die Lage etwas besser. Insofern kamen die „Fördermaßnahmen“ der Regierung für viele Verlage gerade recht.

Die Bedeutung alternativer, kritischer Medien bleibt in Griechenland hoch: Das Vertrauen in traditionelle Publikationen nimmt kontinuierlich ab, da viele von ihnen den politischen und unternehmerischen Interessen ihrer Eigentümer und Geldgeber unterliegen. Der staatliche Rundfunk (ERT) steht unter Einfluss der Regierung und bei vielen privaten Medien ist klar erkennbar, welche Partei sie unterstützen. Ein Großteil davon gehört wenigen reichen Unternehmern mit engen Verbindungen zu Premier Mitsotakis. So lässt sich erklären, dass in einer Umfrage des Reuters-Instituts im Jahr 2022 nur sieben Prozent der Befragten der Aussage zustimmten, dass die griechischen Medien frei von unzulässigem politischen Einfluss seien; keinen unzulässigen Einfluss der Wirtschaft erkennen acht Prozent.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen stand Griechenland im Jahr 2022 auf Platz 108 von 180 Staaten – der schlechteste Platz innerhalb der Europäischen Union. Athen kritisierte Reporter ohne Grenzen daraufhin scharf und bezeichnete die Organisation als "unzuverlässig". Premierminister Kyriakos Mitsotakis nannte die Rangliste schlicht "Blödsinn".


Rangliste der Pressefreiheit (Reporter ohne Grenzen):
Platz 108 (2022) /107 (2023)

Stand: September 2023
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