Litauen: Gutes Image, traurige Realität

Litauen belegt in Sachen Pressefreiheit einen stolzen internationalen Spitzenplatz. Doch wirtschaftlich gesehen durchleben die Medien schwierige Zeiten. Überregionale Tageszeitungen sind Geschichte und auch die Onlineportale bangen um ihre Existenz, insbesondere seit Beginn der Corona-Krise.

Kiosk in Litauen (Flickr, Andreas Lehner (CC BY 2.0))
Kiosk in Litauen (Flickr, Andreas Lehner (CC BY 2.0))
Noch vor der Unabhängigkeitserklärung 1990 war in Litauen die Zensur aufgehoben worden, wodurch den Medien eine große Rolle im Kampf für staatliche Souveränität zukam. Die Bürger sehnten sich nach einer freien Presse, der Einfluss der Medien war in den 1990er Jahren groß. Doch das ist Vergangenheit: Das Vertrauen der Bevölkerung in die Medien, das um die Jahrtausendwende bei über 65 Prozent lag – und damit höher als das in die Kirche, den Präsidenten und alle anderen litauischen Institutionen –, erreichte im September 2023 einen historischen Tiefstand von nur noch 26,3 Prozent.

Die Auflagen vieler Zeitungen sind in den letzten zwanzig Jahren um rund zwei Drittel geschrumpft. Schon die weltweite Wirtschaftskrise 2008 und die sie begleitenden harten politischen Entscheidungen (z. B. Erhöhung der Mehrwertsteuer für Printmedien von 5 auf 21 Prozent) erschwerten die ökonomische Situation der Verlage. Einige Medien verschwanden sofort von der Bildfläche, andere kämpften noch einige Zeit ums Überleben. Im Jahr 2019 wurde dann auch die älteste litauische Tageszeitung Lietuvos žinios nach über hundert Jahren eingestellt. Doch eine echte überregionale Tageszeitung gab es schon lange nicht mehr, da alle schon zuvor auf die Montagsausgabe verzichtet hatten. Seit 2020 erscheint auch die einst größte und einflussreichste Tageszeitung Lietuvos rytas nur noch dreimal pro Woche, und die einzige Wirtschaftstageszeitung Verslo žinios musste sich im Zuge der Corona-Krise in eine Wochenzeitung verwandeln.

Auch die Onlinemedien litten unter der Corona-Pandemie, da Anzeigen drastisch zurückgingen und staatliche Hilfen erforderlich wurden. Viele Inhalte wurden hinter einer Paywall versteckt, und Advertorials – bezahlte Inhalte, die jedoch wie redaktionelle Inhalte aufgemacht werden – wurden vermehrt als Einnahmequelle genutzt.

Reporter ohne Grenzen berichtete 2022 von der systematischen Unterfinanzierung der Medienbranche während der Covid-19-Pandemie, insbesondere im Lokaljournalismus. Der starke Wettbewerb und der begrenzte Markt erschweren es gleichzeitig neuen Marktteilnehmern, sich zu etablieren.

Ausländische Medienkonzerne wie die estnischen Postimees Grupp (15min, BNS) und Ekspress Grupp (Delfi, ELTA, Lrytas) sowie die schwedische Bonnier Business Press (Verslo žinios) mischen auf dem litauischen Markt kräftig mit. Die Medien litauischer Eigentümer werden häufig verdächtigt, von Wirtschaft und Politik beeinflusst zu sein. Besonders betroffen sind kleine lokale Medien, bei denen die Eigentümer oft selbst in der Politik aktiv oder eng mit ihr verbunden sind.

Trotz einiger Versuche der Regierung, auf die Medienberichterstattung Einfluss zu nehmen, ist die Gesamtsituation in Bezug auf die Informationsfreiheit relativ gut. Allerdings moniert Reporter ohne Grenzen Mängel und Verzögerungen beim Zugang der Medienschaffenden zu amtlichen Dokumenten.

Laut dem Eurobarometer Media & News Survey 2022 nutzen 70 Prozent der Litauer das Fernsehen, um sich über das aktuelle Geschehen zu informieren. Online-Portale werden dafür von 54 Prozent und Soziale Medien von 44 Prozent der Bürger genutzt. Angesichts des insgesamt niedrigen Medienvertrauens ist das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk LRT mit 56 Prozent vergleichsweise hoch.

Seit der Krim-Annexion und dem Krieg in der Ukraine ist die Angst vor Propaganda gestiegen. Als Maßnahme gegen Hass, Gewalt und Falschinformation im Zusammenhang mit dem Krieg wurden russische und belarusische Radio- und Fernsehprogramme verboten, und die Nachrichtenportale haben von sich aus die Kommentarfunktion unter Artikeln eingeschränkt.

Insgesamt steht Litauen in Sachen Pressefreiheit gut da, aber die wirtschaftliche Lage der Medien ist besorgniserregend und stellt manchmal die Unabhängigkeit und Qualität der Berichterstattung in Frage.


Rangliste der Pressefreiheit (Reporter ohne Grenzen):
Platz 7 (2023)
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