Polen: Bringt der Regierungswechsel das Ende der Polarisierung?

Nach den Parlamentswahlen 2023 stehen in Polen die Zeichen auf Wandel. Mit dem Regierungswechsel unter Führung von Premier Donald Tusk dürfte sich auch die Medienlandschaft verändern.

Im Dezember 2023 demonstrieren Anhänger der abgewählten PiS-Regierung mit einem Sitzstreik im Gebäude des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gegen medienpolitische Maßnahmen der neuen Tusk-Regierung. (© picture alliance / Anadolu / Jakub Porzycki)
Im Dezember 2023 demonstrieren Anhänger der abgewählten PiS-Regierung mit einem Sitzstreik im Gebäude des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gegen medienpolitische Maßnahmen der neuen Tusk-Regierung. (© picture alliance / Anadolu / Jakub Porzycki)
Die seit 2015 regierende rechtskonservative PiS hatte den öffentlich-rechtlichen Nachrichtensender TVP zu ihrem Sprachrohr gemacht, staatlichen Einfluss auf die Lokalpresse erhöht und rechtskonservative Medien finanziell unterstützt. Auf der Rangliste der Pressefreiheit lag Polen im Jahr 2023 auf Platz 57, 2022 sogar nur auf Platz 66.

Die neue Regierung (zusammengesetzt aus der liberal-konservativen Bürgerkoalition KO, dem christlich-konservativen Zusammenschluss Trzecia Droga [Dritter Weg] und dem Linksbündnis Lewica) machte die Entpolitisierung der öffentlich-rechtlichen Medien zu einem Kernpunkt ihrer Koalitionsvereinbarung. Und sie handelte umgehend: Nur eine Woche nach ihrer Vereidigung entließ das Kulturministerium am 20. Dezember 2023 die komplette Führungsriege von TVP, Polskie Radio und der staatlichen Nachrichtenagentur PAP, wenige Tage später folgte sogar die formelle Auflösung der drei Institutionen, um diese umfassend restrukturieren zu können. Das Ministerium berief sich dabei auf eine Parlamentsresolution zur «Wiederherstellung der Unparteilichkeit» der Öffentlich-Rechtlichen. Einige Kommentatoren fürchten nun jedoch eine Politisierung unter umgekehrten Vorzeichen und eine Marginalisierung rechter Stimmen. PiS-treue Mitarbeiter und Zuschauer von TVP wanderten teilweise zum Nischensender Telewizja Republika ab.

In den letzten Jahren war Polens Presselandschaft aber nicht nur durch unmittelbare politische Einflussnahme auf Medieninhalte bestimmt, sondern auch durch eine starke Polarisierung geprägt. Viele Redaktionen definierten ihre politische Ausrichtung vor allem über ihre Haltung zur Regierung – als Gegner oder Unterstützer. Es wird sich zeigen, ob sich nach dem Machtwechsel daran grundlegend etwas ändert und Sachfragen stärker in den Vordergrund rücken.

Sinkende Auflagenzahlen der Presse
Eine aller Voraussicht nach bleibende Herausforderung sind die zusehends sinkenden Auflagen, mit denen alle Printmedien zu kämpfen haben. Immer mehr Zeitungen bieten Online-Bezahlinhalte an.
Die bedeutendsten polnischen Tageszeitungen sind die liberale Gazeta Wyborcza, die 2022 im Tagesschnitt 48.100 Exemplare verkaufte, sowie die liberal-konservative Rzeczpospolita (34.100). Relevant ist außerdem die auf Wirtschafts- und Rechtsfragen fokussierte Zeitung Dziennik Gazeta Prawna (31.100). Eine größere verkaufte Auflage hatten 2022 unter den Tageszeitungen die Boulevardblätter Fakt (138.200) und Super Express (80.400).

Unter den politischen Magazinen und Wochenzeitungen hat die liberale Polityka 2022 die höchste Auflage (88.900). Auf Platz 2 lag der katholische Gość Niedzielny (77.100), der in den Kirchen vertrieben wird. Es folgen die liberale Newsweek (62.400) und das Magazin Sieci, welches sich an konservative und nationalistische Leser richtet (31.200).
Öffentliche Diskussion zunehmend im Internet
In den vergangenen Jahren gewannen Online-Portale und Podcasts in der öffentlichen Diskussion stark an Bedeutung. Hervorzuheben sind die Internetseiten Onet.pl und Interia. Die Meinungsbeiträge von Onet.pl sind überwiegend dem liberalen, die von Interia einem vergleichsweise breiten politischen Spektrum zuzuordnen. Auf der Rechten ist der Sieci-Ableger wPolityce.pl das Leitmedium im Internet. Auf der Linken nimmt das Online-Debattenmagazin Krytyka Polityczna diese Rolle ein.

Den Rhythmus der Tagespolitik geben morgendliche Politiker-Interviews in Radiosendern wie RMF.fm, Radio ZET oder Tok.fm vor. Im Fernsehen steht dem bis auf Weiteres PiS-treuen Staatssender TVP der liberale Kanal TVN gegenüber. Der Sender Polsat versucht eine ausgewogene Position einzunehmen.


Rangliste der Pressefreiheit (Reporter ohne Grenzen): Platz 57 (2023)

Stand: Februar 2024



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