Zypern: Geteilte Öffentlichkeit

Seit der Besetzung des Nordens von Zypern durch das türkische Militär 1974 ist auch die Medienlandschaft auf der Insel zweigeteilt. In den letzten Jahren hat die Zusammenarbeit zwischen Medien und Journalisten auf beiden Seiten zaghaft zugenommen. Nach der Finanzkrise haben die Corona- und die Energiekrise dem Zeitungsmarkt weitere Schläge zugefügt.

Grenze zwischen der Republik Zypern und dem unter der Kontrolle der Türkischen Republik Nordzypern stehenden Teil der Insel. (© picture alliance / Bildagentur-online/Joko)
Grenze zwischen der Republik Zypern und dem unter der Kontrolle der Türkischen Republik Nordzypern stehenden Teil der Insel. (© picture alliance / Bildagentur-online/Joko)
In der Republik Zypern im Süden der Insel wurde die Pressefreiheit in den vergangenen Jahren weitgehend geachtet. Nachdem der Nachrichtensender Al Jazeera im Jahr 2020 enthüllt hatte, dass zypriotische Beamte und Politiker zweifelhafte Persönlichkeiten aktiv bei der Bewerbung um "goldene Pässe" im Austausch gegen Investitionen unterstützten, rückte das Thema Korruption stärker in den Mittelpunkt der Untersuchungen der zyprischen Medien.

Zuletzt gab es jedoch auch Fälle von Drohungen und Zensur sowie rechtliche Schritte gegen Journalisten. Der Investigativjournalist Makarios Drousiotis hatte zu Korruption und undurchsichtigen Russland-Geschäften im Umfeld des langjährigen Präsidenten Nikos Anastasiades recherchiert. In der Folge, so Drousiotis, seien sein Mobiltelefon und sein Computer mittels Überwachungssoftware ausspioniert worden. Drousiotis beschuldigt die Behörden, auch weitere Personen, darunter Diplomaten, im Auftrag mächtiger Russen abzuhören und zu überwachen. Anastasiades bestreitet die Vorwürfe. Drousiotis wurde mit rechtlichen Schritten bedroht und in den Medien verleumdet.

Auch Selbstzensur unter Journalisten hat auf Zypern in den letzten Jahren zugenommen. Laut Beobachtern werden Themen tabuisiert, da Journalisten Angst haben, ins Visier eines korrupten Netzwerks von internationalen Unternehmen zu geraten, die auf der Insel stark präsent sind. Journalisten im türkisch besetzten Norden der Insel wiederum müssen bei kritischen Berichten mit Repressalien, Verhaftungen oder gar gewalttätigen Angriffen rechnen. Im Januar 2018 griffen beispielsweise Nationalisten die zyperntürkische Zeitung Afrika an, die zuvor die türkische Militäroperation im syrischen Afrin kritisiert hatte. Der türkische Präsident Erdoğan hatte in einer Rede diesen Artikel erwähnt und seine "nordzyprischen Brüder und Schwestern" zu einer "Antwort" aufgerufen. Überdies haben restriktive Maßnahmen gegen die Verbreitung von Covid-19 auch die Medien getroffen: Pressekonferenzen wurden drastisch eingeschränkt, was von einigen Journalisten als Einschränkung der Pressefreiheit kritisiert wurde. Auch nach Beendigung der Schutzmaßnahmen blieben Spuren solcher Praktiken bestehen.

Medien als Brückenbauer
Die jahrelang ergebnislosen Verhandlungen über die Lösung des Zypernkonflikts wurden von den zyprischen Medien intensiv begleitet. In den letzten Jahren ist ein stärkerer Pluralismus in der Mediendebatte zu beobachten. Außerdem wurde die Zusammenarbeit zwischen Medien und Journalisten beider Seiten in den letzten Jahren durch verschiedene Projekte gestärkt. Im Sommer 2018 wurde beispielsweise mit Unterstützung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ein gemeinsames Glossar veröffentlicht, um sensible Begriffe und potenziell hetzerische Äußerungen zu vermeiden.

Der Zeitungsmarkt im Süden der Insel wird von sechs großen Blättern in griechischer Sprache und einer englischsprachigen Zeitung bestimmt. Der Einfluss von Parteien und orthodoxer Kirche auf die Medien ist groß. So besitzt etwa die Kirche einen Teil des TV-Senders Omega. Die Tageszeitung Haravgi steht der Kommunistischen Partei nahe, ebenso der Radiosender Astra. Im besetzten Teil sank die Zahl der Tageszeitungen im Zuge von Wirtschaftskrise und Pandemie von 19 im Jahr 2020 auf 8 im Jahr 2023. Mehrere Zeitungen sind stark mit zyperntürkischen Parteien verbandelt.

Insgesamt sank die verkaufte Auflage der Zeitungen infolge der Finanzkrise stark. Die Löhne vieler Journalisten wurden gekürzt, zahlreiche Mitarbeiter entlassen. Durch die Corona- und Energiekrise hat sich diese Situation noch einmal verschärft, die Verkäufe von Zeitungen gingen drastisch zurück, Einnahmen aus Anzeigen brachen ein. Die Bedeutung digitaler Medien – insbesondere von Nachrichtenportalen und alternativer Onlinequellen sowie sozialer Medien wie Facebook und X – nahm in den vergangenen Jahren zu. Laut einer Studie des zyprischen Verbands der Redakteure aus dem Jahr 2022 wählen 74 Prozent der Zyprer das Fernsehen, um sich über Themen zu informieren, die sie interessieren, 68 Prozent die sozialen Medien, 46 Prozent das Radio, 44 Prozent die Webportale und nur 11 Prozent die Zeitungen.

Bis in die 1950er Jahre stand der Rundfunk auf Zypern unter britischem Einfluss. Heute gibt es in der Republik Zypern im Süden der Insel einen staatlichen Sender mit zwei Kanälen sowie acht Privatsender. Die Zuschauer bevorzugen die privaten Kanäle wegen der griechischen Unterhaltungsprogramme und Serien. Im besetzten Norden werden eher Sender aus der Türkei konsumiert. Dort gibt es einen türkisch-zyprischen und sieben private TV-Sender, aber auch Internet-TV und -Radio.


Rangliste der Pressefreiheit (Reporter ohne Grenzen):
Republik Zypern: Platz 55 (2023)
Besetztes Nordzypern: Platz 76 (2023)

Stand: September 2023
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