Anschlag auf Charlie Hebdo
Bei einer Terrorattacke auf das Satiremagazin Charlie Hebdo sind am Mittwoch in Paris zwölf Menschen gestorben, vier andere schweben in Lebensgefahr. Die mutmaßlich islamistisch motivierte Tat wird den Hass auf Europas Muslime befeuern, fürchten einige Kommentatoren. Andere mahnen, einen kritischen und satirischen Blick auf den Islam beizubehalten.
Jetzt nicht anti-islamischen Predigern folgen
Der Anschlag von Paris könnte Wasser auf die Mühlen derer gießen, die Hass gegen den Islam predigen, fürchtet die unabhängige Tageszeitung Dennik N: "Man könnte mit einer Beschneidung der Freiheit und mit Repressionen nach dem Prinzip der Kollektivschuld reagieren. ... Genau so gehen Extremisten vor, wie der tschechische Populist Okamura und die deutsche Pegida-Bewegung, welche die Enttäuschung und Frustration von Ostdeutschen missbraucht, um ihre faschistoiden Ziele zu verschleiern. Eine solche Reaktion aber schadet der freien Gesellschaft mehr als die Bedrohung durch Islamisten. ... Eine Verurteilung von Menschen nur wegen ihres Glaubens oder ihrer Nationalität und eine Diskriminierung derer, die in Übereinstimmung mit den Prinzipien des demokratischen Rechtsstaates leben wollen, bringt nur den muslimischen Fanatikern weiteren Zulauf. Und sie würde die westliche Gesellschaft in ein autoritäres System verwandeln."
Mohammed-Karikaturen verletzen Muslime
Mohammed-Karikaturen, wie sie Charlie Hebdo veröffentlicht hat, verletzen Muslime tief, erinnert die konservative Tageszeitung Milliyet nach dem Terroranschlag in Paris: "Weltweit brechen Wellen von Vorurteilen gegen den Islam wie ein Tsunami herein. Sie treffen Millionen muslimischer Brüder und Schwestern. Sie grenzen sie aus. Aus diesem Grund werden sie unterdrückt, leiden, müssen unter schweren Umständen leben. ... Wenn bloß keine Zeichnungen und Karikaturen über den Propheten des Islam gemacht und Muslime nicht aufgestachelt würden. Die Sichtweise der Christen auf ihre Propheten ist eine andere. Sie lassen sogar Schauspieler nackt auf der Bühne den Jesus spielen. ... So sieht das Freiheitsverständnis der Christen aus. Aber ist es richtig, den Islam durch die gleiche Linse zu betrachten? Offensichtlich nicht. Denn zwischen beiden liegen große Kultur-, Mentalitäts- und Religionsunterschiede."
Der Krieg ist in Frankreich angekommen
Mit dem Attentat auf die Redaktion von Charlie Hebdo hat sich der Krieg gegen den Terrorismus aus dem Nahen Osten und Afrika nach Frankreich verlagert, stellt die konservative Tageszeitung Le Figaro fest und fordert zum Gegenschlag auf: "Im Fall eines Krieges ist die wichtigste Aufgabe, sich zusammenzuschließen. ... Außerdem muss man sich bewaffnen. Zum einen moralisch - wie sonst können wir unsere Werte verteidigen, wenn wir nicht von ihrer überlegenen Würde überzeugt sind? Zum anderen politisch und rechtlich: Zu lange waren wir im Namen eines pervertierten Humanismus, eines ausgeuferten Antirassismus nachsichtig gegenüber unseren ärgsten Feinden. Diese 'verlorenen Kinder des Dschihad', diese Fanatiker, die im Internet wüten, verschwören sich unter freiem Himmel gegen unser Land und dessen Sicherheit. ... Gegen die müssen wir zuschlagen. Ohne Schwäche und Zaghaftigkeit. Der Krieg ist da, also müssen wir ihn gewinnen."
Nach dem Anschlag weiter spotten
Die Ursachen für die Radikalisierung von Muslimen müssen untersucht werden, meint die liberale Tageszeitung De Standaard nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo. Das falsche Signal wäre jedoch, Satire aufzugeben: "Wir müssen mit offenem Visier klären, warum der Kampf sich nach Europa verlagerte, die Benachteiligung sehen, den Ausschluss und das Gefühl von Geringschätzung, die eine Rolle bei der Radikalisierung spielen. Wenn wir das nicht tun, dann stehen wir auch dem nächsten Anschlag machtlos gegenüber. Zugleich müssen wir mit Händen und Füßen unsere Freiheit verteidigen und schamlos weiter spotten. Über die, die anderen die Kehle durchschneiden und sie mit Kugeln durchlöchern, aber auch über unsere eigenen Ängste. Als Europäer können wir nicht besser auf diese Mordgier reagieren als weiter zu lachen."
Es gibt ein Recht auf Islamkritik
Bei ihrem Überfall auf das Satiremagazin Charlie Hebdo haben die Terroristen mehrfach "Allah ist groß" skandiert. So, wie sich der Islam präsentiert, ist er tatsächlich eine Bedrohung, analysiert die liberal-konservative Tageszeitung Corriere della Sera: "Das Problem wohnt dem Islam inne. Er ist eine Einheit von Religion, Kultur und Geschichte, die ungefähr eineinhalb Milliarden Menschen betrifft und in ihrer Gesamtheit Regeln vorschreibt, die - und das ist der entscheidende Punkt - zu einem großen Teil unvereinbar sind mit den Regeln, die in fast allen anderen Regionen der Welt gelten. ... Doch damit nicht genug. Die Regeln der anderen werden als Gotteslästerung empfunden, als Fluch gegen den Allmächtigen, der mit dem Tod zu sühnen ist. ... Wenn das der Islam ist, dann möchten wir die Möglichkeit haben, ihn zu kritisieren, so viel wir wollen. Und dazu möglichst auch das Recht, das wir damit nicht unser Leben riskieren. Und dieses sähen wir uns gerne von mehr als nur vereinzelten Vertretern des Islam zugestanden."
Europas Muslime müssen sich wehren
Der Kurier sieht nach dem Anschlag von Paris Europas Muslime in der Pflicht, mehr Toleranz zu zeigen: "Die Moslems müssen Kritik an ihrer Religion aushalten. Wer sofort Verhetzung sieht, wo die Friedfertigkeit des Korans hinterfragt wird, muss eine offene Diskussionskultur lernen. Im vergangenen Sommer hat der muslimische Politologe Hamed Abdel-Samad in einem Kurier-Interview betont: 'Innerhalb der politischen Dimension des Islam gibt es keine moderate Bewegung.' Und weiter: 'Für uns Muslime ist nicht das Opfer maßgebend, sondern der Täter. Wenn dieser muslimisch ist, nehmen wir das hin.' Der Ägypter muss sich inzwischen verstecken. Noch kennen wir die Täter von Paris nicht. Aber es spricht alles dafür, dass radikale Moslems geschossen haben. Auch wenn die Idee eines weltweiten Kalifats völlig irrsinnig klingt, gibt es offenbar nicht nur in Syrien und im Irak Verrückte, die dafür kämpfen. Dagegen müssen wir uns wehren, dagegen müssen sich aber auch alle Moslems wehren, die bei uns leben."