Terrorserie erschüttert Türkei
Bei einer Anschlagsserie in der Türkei sind am Montag neun Menschen getötet worden. Die Regierung schrieb die Gewalttaten zum Großteil der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK zu. Kommentatoren glauben, dass Präsident Recep Tayyip Erdoğan das Chaos im Land gelegen kommt und zeigen sich schwer enttäuscht, dass der PKK nichts anderes als Terror einfällt.
Erdoğan setzt auf Chaos
Dass die Türkei im Chaos versinkt, kommt Präsident Erdoğan gerade recht, analysiert die linksliberale Süddeutsche Zeitung: "Im Moment scheint wirklich jeder den Finger am Abzug zu haben. Das ist das Klima in der Türkei zurzeit. Es ist kein Zufall, dass das Land in Gewalt versinkt, nachdem die Partei von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan bei der Parlamentswahl Anfang Juni die absolute Macht verloren hat. Er will sie mit allen Mitteln zurückholen. Und Krieg zu führen erscheint ihm dabei nur legitim. Sein perfides Kalkül: Ein Land im Chaos wird sich schon wieder seine AKP zurückwünschen. Die kann zwar nicht Demokratie, aber es herrschte unter ihrer Alleinherrschaft keine Gewalt. Zwei Wochen bleiben Erdoğan noch, um eine neue Regierung zu bilden. Sonst kommen Neuwahlen - und der Terror geht weiter."
PKK hat nichts gelernt
Angesichts des wachsenden Ansehens der Kurdenbewegung weltweit ist der erneute PKK-Terror eine große Enttäuschung, findet Journalist Metin Münir in der liberalen Internetzeitung T24: "[Präsident] Erdoğan hat seine erste Wahlniederlage erlebt und seinen Zorn und seinen Hass auf die [kurdennahe] HDP gerichtet. Er hat den Friedensprozess beendet und die Luftwaffe nach Kandil geschickt. Die PKK, das Ziel dieser Angriffe, hatte verschiedene Optionen. Ohne zu zögern hat sie die dümmste gewählt und begonnen, zu terrorisieren. Für einen Moment wollte ich das nicht glauben. Die Anführer der PKK scheinen nicht erkannt zu haben, dass Waffen aus der Mode sind, dass man mit Gewalt nichts anderes als Gegengewalt erreicht und die Zukunft, die mit dem Terror erreicht werden soll, nur verschiebt. Weder haben sie die Entwicklungen richtig analysiert, noch die Weltöffentlichkeit richtig verstanden. ... Sind die PKK-Führer blind und taub? Mein Gott! Warum ist hier niemand weicher, feinsinniger und klüger?"
Parteien müssen zurück an den Verhandlungstisch
Die Gewalt in der Türkei lässt sich nach Ansicht der konservativen Tageszeitung Die Presse nur politisch beenden: "Egal, wie viele Bomben auch noch auf die PKK abgeworfen werden: Die türkische Regierung wird die Kurdenfrage nicht militärisch lösen können. Eine Rückkehr zu Verhandlungen ist alternativlos. Um den politischen Prozess am Leben zu erhalten, hätte die Regierung durchaus einen wichtigen Ansprechpartner im Parlament sitzen: Selahattin Demirtaş, Chef der linken, prokurdischen HDP. Doch hier wird Erdoğans zweites - gefährliches - Machtkalkül schlagend: Der Erfolg der HDP hat bei der jüngsten Wahl Erdoğans Partei die absolute Mehrheit verbaut. Sollte die HDP also verboten oder ihre wichtigsten Funktionäre wegen PKK-Nähe vor Gericht gestellt werden, könnte Erdoğans AKP bei vorgezogenen Wahlen ein besseres Resultat erzielen. Es ist ein riskantes Spiel, das der türkische Präsident spielt, während sein Land in Gewalt versinkt."