Banges Warten nach Österreich-Wahl
Der Ausgang der Präsidentschaftswahl in Österreich ist dermaßen knapp, dass er nun von den Briefwahlstimmen abhängt. Doch diskutiert wird der Wahlkrimi bereits jetzt. Kommentatoren sehen ihn als Beleg dafür, wie tief gespalten das Land ist und glauben, dass die extreme Rechte in Europa sich die Hände reibt.
Das Land wird gespalten bleiben
Nach dem knappen Ausgang der Wahl steht schon jetzt fest, dass keiner der beiden Kandidaten das Land wird einen können, glaubt der Tages-Anzeiger:
„Diese Teilung der Gesellschaft kennt man aus Polen und Ungarn. Jetzt ist sie in Österreich angekommen. Der neue Bundespräsident, wie er auch heisst, wird die Spaltung nicht überwinden können. Hofer teilte im Wahlkampf das Land in Gut und Böse: in 'die Eliten' für Van der Bellen und 'das Volk', das er selbst vorgibt zu vertreten. Der Hass und die Gewaltfantasien, die Hofer-Anhänger in den sozialen Medien verbreiteten, lässt für die Zukunft nichts Gutes für dieses Land erwarten. Aber auch Alexander Van der Bellen ist kein grosser Vermittler. Er kann die Hand ausstrecken zu den Sozialdemokraten, zu Konservativen, zu liberalen Christen. Der Draht zu den Wutbürgern fehlt.“
Hofer-Wähler nicht aufgeben
Eine angemessene Reaktion auf das Wahlergebnis fordert die Tageszeitung Die Presse:
„Das heißt eben nicht, sich vor laufende Kameras zu stellen und darüber zu schwadronieren, die Ängste und Sorgen der Bürger ernster zu nehmen. Besser wäre es, alles dazu beizutragen, dass es erst gar keine Ängste und Sorgen gibt. Dass dringend Maßnahmen gesetzt werden müssen, die das subjektive und idealerweise auch das objektive Sicherheitsgefühl im Land wieder steigern. Dass die Arbeitslosigkeit abnimmt, dass die EU in ihrer Notwendigkeit besser erklärt wird. Dass nicht so viele Menschen das Gefühl haben, mehr ins System einzuzahlen als sie herausbekommen. Im Idealfall gelingt mit Neo-Kanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner auch ein Neuanfang mit einer positiveren Grundstimmung. Genau das ist aber definitiv nur möglich, wenn die Herren mit dem Bundespräsidenten diese Beinahe-Hälfte an Hofer-Wählern irgendwie abholen und mitnehmen können.“
Ausland muss Ergebnis respektieren
Es ist verständlich, dass zuvor Funktionäre, Aktivisten und Politiker in ganz Europa den Österreichern sagen wollten, wie sie zu wählen hätten, doch nun gilt es, das Wahlergebnis zu akzeptieren, mahnt Lidové noviny:
„Eine Beschimpfung der Wähler oder Versuche, sie 'zu erziehen', verbieten sich. Die Österreicher regeln ihre Dinge auch ohne gute Ratschläge aus dem Ausland. Es bleibt ihnen auch nichts anderes übrig, als sich mit dem Wahlergebnis anzufreunden, selbst wenn der Rechtspopulist Hofer der Sieger wird. Schon in der Vergangenheit zeigte sich, dass eine europäische 'Quarantäne' [wie im Jahr 2000 wegen der Regierungsbeteiligung der FPÖ unter dem damaligen Chef Jörg Haider] nichts bringt. Auch andere Staaten Europas müssen sich demnächst bei Wahlen Rechtspopulisten erwehren, die durch die Flüchtlingswelle nach oben gespült wurden. Diese Länder haben also genug mit sich selbst zu tun.“
Für die Rechtsextremen schon jetzt ein Sieg
Die FPÖ und die extreme Rechte in Europa können den Ausgang der österreichischen Präsidentschaftswahl schon jetzt bejubeln, analysiert La Libre Belgique:
„Ob Hofer nun Präsident wird oder nicht, für die FPÖ - die zwar ihren Diskurs abgemildert hat, in deren Reihen aber Nostalgiker des Dritten Reichs sind - hat er auf jeden Fall einen bedeutenden Sieg eingeheimst, der zugleich ein Erfolg für alle rechtsextremen Parteien in Europa ist. Dass einer von ihnen von der Hälfte einer Wählerschaft als geeignet für das höchste Staatsamt betrachtet wird, legitimiert ihre nationalen, autoritären und fremdenfeindlichen Ideale weiter. Gewiss sind Stimmenzuwächse der extremen Rechten bei Wahlen immer auf einen spezifischen nationalen Kontext zurückzuführen. Doch auch die Schwachstellen der repräsentativen Demokratie sowie die ungehaltenen Versprechen der Europäischen Union und der wirtschaftlichen Globalisierung zeigen hier ganz klar ihre Wirkung.“
Ein neues Europa der Teilungen wird entstehen
Auch Autor Adam Szostkiewicz glaubt auf seinem Blog bei Polityka, dass ein Sieg Hofers der extremen Rechten in ganz Europa nutzen würde:
„Es wäre für sie der Beweis, dass die Bevölkerung überall 'eine Wende zum Guten' will. Diese soll zunächst nur in der Art und Weise erfolgen, wie sie Kaczyński und Orbán eingeleitet haben. Doch später, wenn sich diese Politiker als zu lasch erweisen sollten, eröffnen sich dann Chancen für die ganz rechten Gruppierungen wie Jobbik. Von Krakau nach Wien an die schöne blaue Donau fährt man die 500 Kilometer in gerade einmal vier bis fünf Stunden. Doch sollte sich die Donau nun auf einmal braun färben, dann ist das keine nette Reise mehr. Beispielsweise werden dann Pass- und Zollkontrollen wieder eingeführt, weil es keinen Schengenraum mehr gibt. ... Ein neues Kapital der EU, das von Teilungen geprägt ist, wird dann beginnen.“